Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
hole?«, fragte sie freundlich.
Die Polizisten vergewisserten sich bei Kommissar Demirbilek. Er nickte und beobachtete weiter, wie die Frau in klassischem Businessoutfit das Glas abstellte. Er konnte von seinem Standpunkt aus nicht erkennen, was sie vorgab, tiefenentspannt zu lesen. Er selbst hatte den Eindruck, als sei sie innerlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Sie blickte ein weiteres Mal ungeduldig auf ihre Uhr. In zwanzig Minuten begann das Boarding. Zu seinem Erstaunen konnte er Bayrak nicht in der Lounge entdecken. Vielleicht kam er auf den letzten Drücker, wie es sich für Geschäftsleute seines Kalibers gehörte, überlegte der Kommissar.
Das Öffnen der automatischen Glastür holte ihn aus seinen Gedanken. Leipold schlurfte in den Vorraum.
»Ich habe es bei Bayrak probiert. Er geht nicht ans Handy«, erzählte er. »Und was ist mit ihr?«
Gemeinsam verfolgten die beiden Polizisten, wie die Dame vom Empfang sie mit einem besonders freundlichen Lächeln ansprach. Der Geschäftsfrau war nicht anzumerken, ob sie überrascht war. Sie nickte wohlwollend zurück und schob das Tablet in die Schutzhülle. Dann legte sie es auf die Ablage und erhob sich. Erleichtert kehrte die Empfangsdame in den Vorraum zurück.
»Sie sucht die Toilette auf, sie ist gleich bei Ihnen«, gab sie bekannt und nahm ihren Platz hinter der Theke wieder ein.
Leipold zuckte mit den Achseln in Richtung Flughafenpolizisten. Da war Demirbilek schon unterwegs. Er hatte gesehen, wie die Geschäftsfrau nach ihrem Trolley griff und sich mit unübersehbarer Nervosität davonmachte.
Der Aufschrei der zwei Frauen, die gerade im hellerleuchteten Waschbereich der Damentoilette die Lippen nachschminkten, war nicht laut. Aber schrill. Mit hochgestrecktem Dienstausweis beruhigte er die Frauen und forderte sie auf, die Toilette zu verlassen.
Der Raum war groß. Sphärische Klänge sorgten für Wellnessatmosphäre. Die Fluggesellschaft verwöhnte seine Topkundinnen mit Pfirsich-Odeur. Demirbilek wähnte sich im Obstgarten, als er die Geschäftsfrau mit Handy am Ohr auf ihrem Trolley sitzend erblickte. Offenbar wollte sie ungestört telefonieren. Als sie den fremden Mann im Anzug bemerkte, schien sie daraus zu schließen, es handele sich um einen der angekündigten Polizisten. Sie schaltete ihr Smartphone aus und drehte den Kopf zu der sich öffnenden Tür. Wieder tauchte ein Mann in der Damentoilette auf, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Leipold nickte mit schuldvoller Miene; er hatte eine Weile mit sich gerungen, bis er seinem Kollegen in die Damentoilette folgte.
»Raus hier!«, schimpfte er. »Wir warten draußen, bis die Dame fertig ist.«
Demirbilek dachte nicht daran, sich beirren zu lassen. Er fixierte die Frau. Sie kramte in aller Ruhe in ihrer Handtasche. Das wenige an Haut, was er zu sehen bekam, war braungebrannt, wie der Hausmeister ausgesagt hatte, er schätzte sie auf Ende vierzig. Auf Demirbilek strahlte sie mit ihrem leicht fülligen Körper eine orientalische Erotik aus. Das Bild verklärter Malereien von Haremsdamen flackerte kurz in Gedanken auf. Er betrachtete sie weiter, bis sie einen Reisepass in der Hand hielt.
»Ich bin Dr. Nihal Koca«, sagte sie in gestochen scharfem Deutsch und hielt ihm ihren Diplomatenpass entgegen. »Konsulin der Türkischen Republik. Ich genieße, wie Sie sicher wissen, diplomatische Immunität. Nach Ihrem beispiellosen Verhalten ziehe ich meine Bereitschaft zurück, mich mit Ihnen zu unterhalten.«
Bei jedem anderen hätte der Immunitätsstatus für ein Innehalten gesorgt. Nicht aber bei Zeki Demirbilek. Statt den Pass selbst zu untersuchen, nahm er ihn aus ihrer Hand und reichte ihn, ohne einen Blick darauf zu werfen, an Leipold weiter.
»Überprüf das. Und lass dir Zeit«, sagte er in einem Befehlston, der bewusst zum Ausdruck brachte, Leipolds Vorgesetzter zu sein. »Am besten erledigst du das vor der Tür. Frau Koca und ich unterhalten uns derweilen ein wenig.«
Die Diplomatin sprang auf, um den rüpelhaften Mann zur Rede zu stellen, besann sich aber, weil sie Sorge hatte, der selbstsichere Türke würde sie mit seinen Augen in Stücke reißen.
Leipold hatte ebenfalls Sorgen. Er witterte Ärger auf sich zukommen. Ärger aber wollte Leipold nicht. Das entsprach nicht seinem Naturell – ganz anders wie bei seinem bedenkenlos streitsuchenden Kollegen. Gewiss würde es eine Konfrontation mit Kommissariatsleiter Weniger geben, wenn es schlechter liefe, käme der Ärger von
Weitere Kostenlose Bücher