Biest: Thriller (German Edition)
nur er, auch Eddy wusste, dass bei allen drei Zwischenfällen mehrere Arbeiter teilweise mit tödlichen Dosen verstrahlt worden waren. Sie hatten direkt in der radioaktiven Wolke gestanden. »Ich habe jetzt dieses WinCC/Step 7 geladen. Was soll ich machen?«
»Also«, mischte sich Dimitrij ein, der offenbar mitgehört hatte. Sein russischer Akzent war unverkennbar. »Das Problem ist, dass Stuxnet alle deine Kommandos abfangen kann. Manche werden ihn interessieren, andere nicht. Die gute Nachricht ist schon mal: Dein Rechner ist sicher.«
»Das heißt, es kann mich nicht infizieren?«
»Korrekt«, antwortete der Russe. »Da wir keine Zeit hatten, einen richtigen Prozess zu bauen, müssen wir da händisch ran und die Dateien tauschen, die Stuxnet umgeschrieben hat. Stell dir das vor wie bei einem Hütchenspieler. Stuxnet macht so etwas Ähnliches mit dem Dateisystem des PLC. Und wir müssen jetzt den Hütchenspieler austricksen und das Ganze umkehren.«
»Ich habe noch nie erlebt, dass man den Hütchenspieler schlagen kann«, bemerkte Dominique trocken und stöpselte sein Handy an den Computer. Im Hintergrund hörte er den Manager und den Ingenieur diskutieren.
»Doch, doch, die Pumpe müsste laufen, aber …«
»Wenn die oben sagen, sie läuft, dann läuft sie auch.« Ducheix’ Fatalismus.
»Aber wenn ich Ihnen doch sage, das tut sie nicht.«
Dominique sah die Minuten wie in einer riesigen Sanduhr unaufhörlich verrinnen. Die Sanduhr war aus Beton, sie sah in seiner Vorstellung genauso aus wie der Kühlturm des Kraftwerks. Das Virus hatte mit der Sabotage begonnen.
»Dimitrij, die wissen selbst nicht mehr, was hier passiert. Ich habe das Gefühl, sie haben keine Ahnung. Ich glaube sogar, das haben sie in den letzten 20 Jahren nicht erlebt. Es grenzt an ein Wunder, dass dieser Planet überhaupt noch bewohnbar ist.« Was natürlich kompletter Unsinn war. Angstgetriebener Unsinn. Aber für Dominique fühlte es sich genau so an.
»Und ich sage Ihnen, wir müssen abschalten«, beharrte der Ingenieur mit hochrotem Kopf. Der Mineur blieb unbeeindruckt und schabte ein Staubkorn von seinem Schutzanzug.
Dominique beobachtete, wie auf dem Bildschirm seines Laptops Dateien hin und her verschoben wurden. Lange Kolonnen unverständlichen Codes rasten durch ein Fenster. Das meiste sah aus, wie man es von seinen Computer zu Hause kennt, mit einem Punkt und drei Buchstaben dahinter. Dateinamen. Der Rest wie reiner Datensalat.
»Nur noch ein paar Minuten, Dominique«, versprach der Russe, als plötzlich ein lauter Warnton durch die meterhohen Hallen erklang. Dumpf und weit weniger bedrohlich, als sich Dominique die Ankündigung einer atomaren Katastrophe vorgestellt hätte. Der Schweiß lief ihm jetzt in Sturzbächen den Rücken hinunter und verklebte ihn mit der Plastiklehne des Rollstuhls. Der verdammte Schutzanzug war die reinste Sauna. Der Ingenieur und Ducheix brüllten sich nicht mehr an, sondern waren erstarrt. Dominique blickte um eine Erklärung flehend in ihre Richtung. »Haben wir ein Problem?«, fragte er. Er bekam keine Antwort. Stattdessen zückte der Ingenieur sein Werkstelefon, und Ducheix kalkulierte seine Pensionsansprüche bis heute.
»Nein, ich sage euch, sie läuft nicht. Nehmt eine andere, oder schaltet endlich ab!« Er fluchte, als er auflegte.
Dominique fragte noch einmal, jetzt nachdrücklicher, auf seinem Schoß ratterten immer noch die Dateinamen umeinander.
»Mein Gott, sie wollen einfach nicht hören!«, rief er und bekreuzigte sich. Dominique wurde schlecht, als er plötzlich ein tiefes Brummen vernahm, das konstant lauter wurde. Der Bildschirm seines Laptops war ruhig, es bewegte sich nichts mehr.
»Haben wir es geschafft?«, fragte Dominique in sein Headset. Die Antwort ging in einem Jubel auf der anderen Seite unter. Als die Warnsirene erstarb, atmete Dominique zum ersten Mal seit gefühlten fünf Minuten. Er keuchte, als bekäme er nach langer Zeit zum ersten Mal wieder Luft.
»Wie der französische Staatspräsident und die deutsche Bundeskanzlerin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittag feststellten, handelte es sich bei den Störfällen in den Atomkraftwerken Neckarwestheim, Forsberg und Golfech um terroristische Anschläge auf die Energieinfrastruktur Europas.«
Solveigh bat den Taxifahrer, das Radio lauter zu stellen. Am liebsten hätte sie ihn auch noch gebeten, den Vanilleduftbaum abzuhängen, aber sie wollte nicht unhöflich sein und öffnete stattdessen ihr
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