Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Biest: Thriller (German Edition)

Biest: Thriller (German Edition)

Titel: Biest: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenk Saborowski
Vom Netzwerk:
den steilen Hang der alten Festungsanlage Vysehrad hinaufeilte, warf sie einen Blick auf die Uhr: zu spät. Und sie war schon jetzt außer Atem. Der verdammte Hügel war nicht nur verdammt steil, sondern die Straße auch noch endlos lang. Sie verfluchte sich dafür, dass sie den Taxifahrer nicht bis nach oben hatte fahren lassen. Bloß, weil ihre Paranoia ihr eingeredet hatte, das Treffen könnte eine Falle sein. Quatsch, schalt sie sich. Die Nachricht kam von Marcels Handy über die gesicherte App der ECSB. Merkwürdig war nur, dass sie ihn partout nicht erreichen konnte. Es sah ihm gar nicht ähnlich, so eine Geheimniskrämerei um ein Treffen zu machen. Natürlich freute sie sich, ihn zu sehen, sehr sogar, aber ein inneres Gefühl sagte ihr, dass etwas im Busch war. Sie machte sich sogar ein wenig Sorgen um ihn, als sie endlich das Plateau erreichte, das am östlichen Flussufer wie eine Trutzburg über der Moldau thronte. Sie stemmte die Hände in die Hüften und atmete einmal tief durch. Unter ihr türmten sich rote Steine zu Burgmauern, die auf Angreifer des 14.Jahrhunderts einschüchternd und unüberwindbar gewirkt haben mussten. Ihre Instinkte rieten ihr, vorsichtig zu sein und nichts zu überstürzen, Marcel würde warten. Er reiste nicht aus Tel Aviv nach Prag, um dann wegen fünf Minuten Verspätung wieder zu verschwinden. Warum spürte sie diese Anspannung, die sie sich nicht erklären konnte? Wie ein ganz normaler Tourist schlenderte sie den Weg in Richtung der St.-Peter-und-Paul-Kirche entlang, deren dunkle, gotische Türme am nördlichen Ende der parkähnlichen Anlage in den Himmel ragten. Als sie endlich das Grab von Josef Kaizl auf dem Friedhof hinter der Kathedrale erreichte, fand sie sich vor einem verschlossenen Gitter an einer der Seitenmauern wieder. Eine monumentale Bronzeskulptur breitete ihre Flügel über dem marmornen Grab aus, beschützend, bedrohlich. In drei tönernen Töpfen gedachten verdorrte Zweige der Toten. Ein würdiger Platz, dachte Solveigh und bewunderte das Schattenspiel unter den Flügeln. Dr. J. Kaizl. 1854 bis 1901. Hatte Marcel das Grab aus einem bestimmten Grund ausgewählt? Wenn ja, konnte sie sich keinen Reim darauf machen. Solveigh ließ ihren Blick über die Gräber schweifen und suchte nach einem Lebenszeichen von Marcel, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. Vielleicht hatte er sich ebenso verspätet? Außerdem hatte er von ihr nicht einmal eine Bestätigung ihres Treffens erhalten. Wie auch? Er hatte die Nachrichten-App nicht mehr geöffnet. Aber natürlich wusste er, dass er sich auf sie verlassen konnte und dass sie alles daransetzen würde, die Verabredung einzuhalten. Wo war er?, dachte Solveigh, als sie plötzlich spürte, wie jemand aus dem Nichts hinter sie trat. Sie erahnte seine Anwesenheit, wie man einen fremden Blick auf sich ruhen fühlt, kaum merklich, aber leicht beunruhigend. Kein Knirschen im Kies und kein noch so feiner Lufthauch hatten ihn verraten. Marcel?
    »Ich dachte schon, Sie kämen nicht mehr, Frau Lang«, sagte eine Frauenstimme auf Deutsch mit unverkennbar arabischem Einschlag, aber perfekter Grammatik. Wer war die Frau? Und wo war Marcel? Solveigh drehte sich langsam um und sah sich einer äußerst attraktiven Schwarzhaarigen gegenüber, die sicher zehn Jahre jünger war als sie. Mitte zwanzig, dunkler Teint, noch dunklere Augen.
    »Wer sind Sie?«, fragte Solveigh ein wenig perplex, um kurz darauf hinzuzufügen: »Und vor allem: Was wollen Sie von mir?«
    »Mein Name ist Yael Yoffe, und ich muss mich entschuldigen, dass ich Sie mit einem Trick hierhergelockt habe. Tun Sie mir den Gefallen, und gehen Sie ein Stück mit mir?«
    Solveigh betrachtete sie eingehend und versuchte, diese Yael Yoffe einzuschätzen, was ihr nicht ganz leichtfiel. Der Name sprach für einen israelischen Hintergrund, aber das konnte natürlich täuschen. Und wer sagte ihr, dass dieser Name ihr richtiger war? Dennoch entschied sie sich, auf ihren Vorschlag einzugehen, sonst lief sie Gefahr, womöglich niemals zu erfahren, wie es zu diesem Treffen gekommen war. Sie nickte, und wenige Augenblicke später knirschten ihre Schritte beinahe im Gleichklang auf dem Kies der schnurgeraden Wege, die wie auf einem Schachbrett an den Gräbern entlangführten. Solveigh schwieg, sie hatte nicht vor, als Erste etwas von sich preiszugeben. Yael war an der Reihe, und das schien dieser auch klar zu sein. Ihre Stimme war ruhig und überaus sachlich, als sie ihr berichtete, warum

Weitere Kostenlose Bücher