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Biest: Thriller (German Edition)

Biest: Thriller (German Edition)

Titel: Biest: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenk Saborowski
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glücklich zu bezeichnen, biss sich aber auf die Lippe.
    »Also ist es nicht so schlimm?«, fragte sie hoffnungsvoll, ein kurzer Gedanke flackerte zu dem Fötus in ihrem Bauch.
    »In unmittelbarer Umgebung des Kraftwerks wurden vereinzelt stark erhöhte Bereiche gemessen, aber noch nicht zwingend lebensbedrohend. Über die Wolke wissen wir noch nichts Genaues, das wird stark davon abhängen, wo sie abregnet. Wenn Deutschland Pech hat, trifft sie München, wenn Österreich Pech hat, Salzburg.«
    »Und wie gefährlich ist das für einen Fötus von 1,5 Zentimetern?«, wollte Solveigh fragen. Natürlich ging das nicht. »Wie viel Millisievert am Kraftwerk?«, fragte sie stattdessen. Major Aydin hatte sie nach ihrem Telefonat mit Dr. Prins eingeweiht. Weil es einfach nicht anders ging. Nachdem er ihr erklärt hatte, dass sie auf keinen Fall in die Nähe eines Atomunfalls fahren dürfe, hatte er ihr einige Richtwerte genannt. Ab zwanzig Millisievert wurde es kritisch für den Fötus. Das entsprach zwei Computertomographien.
    »Der Höchstwert lag bei zehn Millisievert, der niedrigste bei 1,5«, antwortete Eddy, der die Daten offensichtlich von seinem Computer ablas. Solveigh atmete auf. Sie waren noch einmal glimpflich davongekommen. »Pro Stunde«, setzte Eddy hinzu. »Du bist gleich am Autobahnkreuz Weinsberg. Es wäre eine gute Idee, jetzt deinen Schutzanzug anzulegen.« Solveigh hörte ihn kaum noch.

    Als Solveigh auf die Zufahrt zum Kraftwerk abbog, musste sie zum vierten Mal ihren Ausweis vorzeigen. So chaotisch, wie Eddy die Situation beschrieben hatte, lief es vor Ort gar nicht ab. Die Polizei hatte Straßensperren eingerichtet, indem sie zwei Streifenwagen in einem Keil quer über die Straße gestellt hatten. Sie trugen keine Schutzanzüge. Im Gegensatz zu den Feuerwehrleuten, die jetzt Solveighs Papiere prüften. Das Augenpaar starrte sie durch eine Plastikbrille an, der Körper steckte in einem weißen Strahlenschutzanzug, der ihn aussehen ließ wie einen Ballon, sein Mund blähte die Maske, die er vor dem Gesicht trug, auf, wenn er redete. Solveigh selbst trug eine Atemschutzmaske mit Filter, die alle Geräusche um sie herum klingen ließen, als wäre sie unter Wasser getaucht. Als sie den Wagen auf dem Parkplatz abstellte, hängte sie sich ihr Dosimeter um, das sie auf fünfzehn Millisievert eingestellt hatte, und prüfte noch einmal, ob sie die Arme und Beine gut verklebt hatte. Sie war so gut geschützt, wie es ging, dachte sie und strich unter dem Anzug über die Bleischürze, die ihr der Major kurz vor ihrer Abreise in die Hand gedrückt hatte.
    »Sie wissen, dass Sie da nicht hinfahren sollten, wenn es wirklich passiert, oder?«, hatte er sie noch einmal gefragt und  sie dabei eindringlich angesehen. Genau so, wie sich Solveigh vorstellte, dass ein besorgter türkischer Familienvater eine Schwangere ansehen sollte. Sehr besorgt und überaus fürsorglich. Danke, ich kann auf mich alleine aufpassen, hatte sie sagen wollen. Stattdessen: »Ich muss, Major. Es ist mein Job, und die anderen verlassen sich auf mich.«
    »Dann nehmen Sie wenigstens die Schürze. Es ist umstritten, ob sie etwas bringt, aber ich persönlich würde sie anlegen.«
    Jetzt war Solveigh ihm dankbar, vermittelte ihr diese letzte Bastion wenigstens ein minimales Schutzgefühl. Der Anzug war eines dieser Wegwerfteile aus dünnem, papierartigem Material, das aber angeblich keine Partikel hindurchließ – auch wenn es sich nicht so anfühlte. »Gegen Radioaktivität kann man sich im Grunde nicht schützen«, hatte der Major gesagt. »Nur dagegen, dass die Partikel in den Körper gelangen.« Super, hatte sie gedacht. »Aber das ist das Wichtigste«, hatte er lächelnd hinzugefügt. »Wenn Sie dem Feld zu lange ausgesetzt sind, hilft nur noch weglaufen. Das sind dann Ihre Millisievert.« Weglaufen. Na prima. Und ich gehe mitten hinein, dachte Solveigh, als sie die Autotür öffnete.
    Am Horizont erwachte ein neuer Tag, der aussah wie jeder andere. Aber auf dem Parkplatz drehten sich die Blaulichter der Einsatzfahrzeuge, und Anzüge und Masken liefen über den Parkplatz, in das Gebäude oder kamen heraus. Wie die Lemminge, die sich gemeinsam ins Verderben stürzen, weil sie es nicht besser wissen, dachte Solveigh. Die Szene sah gespenstisch aus. »Man schmeckt es nicht, man sieht es nicht, man riecht es nicht. Aber es ist da. Und es ist giftig, Miss Lang. Giftiger als alles, was Sie sich vorstellen können. Denken Sie immer daran, wenn Sie

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