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Big Bad City

Big Bad City

Titel: Big Bad City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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hätte sie ihm auch mitteilen können, daß sie sich einer Sekte wie den Hare Krishnas anschließen wolle. Die Worte, die sie gerade in die glühende Wärme des Wohnzimmers geschleudert hatte, kommen für ihn einem Vatermord gleich. Ronald Cochran lehrt Politologie an der Temple University. Seine Frau ist Psychiaterin mit einer gedeihenden Praxis. Und nun … das? Seine Tochter will eine gottverdammte Nonne werden?
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, sagt Vincent.
    Er ist vier Jahre jünger als seine Schwester, siebzehn Jahre alt, und steht in diesem kalten Januar vor sechs Jahren kurz vor dem High-School-Abschluß. Seine Schwester hat der Familie und seiner Freundin Anna gerade gesagt, daß sie dem Orden der Sisters of Christ’s Mercy beitreten möchte, sobald gewisse Formalitäten vollzogen sind. Genau dieses Wort benutzt sie. Vollziehen, wie bei einer Ehe. Sie rechnet damit, ihr Noviziat im kommenden Sommer beginnen zu können, sagt sie ihnen jetzt. Im Mutterhaus in San Luis Elizario, sagt sie ihnen. Ganz in der Nähe von San Diego, sagt sie ihnen.
    »Wer hat dir die Gehirnwäsche verpaßt?« fragt ihre Mutter.
    Dr. Moira Cochran ist Analytikerin der Freudschen Schule und erinnert sich nur allzu gut daran, daß der Meister selbst Religion für eine »gruppenobsessive Neurose« hielt. Daß ihre Tochter nun herausgefunden bat, daß sie »eine Berufung hat«, daß ihre Tochter nun eine »Braut Christi« werden will, die Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams ablegen wird, sobald sie ihr Postulat und ihr Noviziat absolviert hat…
    »Hast du das auf dieser gottverdammten Schule gelernt?« fragt sie.
    Diese »gottverdammte Schule« ist eins der angesehensten Colleges in den Vereinigten Staaten, und Mary hat dort gerade mit Auszeichnungen ihren Abschluß gemacht. Ihr Hauptfach war Politologie, ihr Nebenfach Psychologie gewesen - eine kleine Geste an die alten Herrschaften zu Hause. Da sie eine ausgezeichnete Stimme hat und Musik wirklich liebt, ist sie in ihrem ersten Jahr einer Chorgruppe und dann im zweiten Jahr dem Kirchenchor beigetreten. Dort hat sie eine Nonne namens Schwester Beatrice Camden vom Orden der Sisters of Christ’s Mercy kennengelernt, die regelmäßig vorbeikam und mit dem Chor ein schwieriges vierteiliges Kirchenlied einübte, das ein gewisser Jacopone da Todi im dreizehnten Jahrhundert komponiert hatte.
    Kate ist nicht gerade ein religiöser Mensch. Mit einem Vater wie Ronald und einer Mutter wie Moira konnte man sie nicht einmal als etwas religiös ansehen. Sie singt im Kirchenchor, weil sie einfach Spaß daran hat, ist aber auch von Schwester Beatrice fasziniert, die als erster Mensch überhaupt andeutet, ihre schöne Stimme sei ihr vielleicht von Gott gegeben. Na, so ein Quatsch, denkt sie und gesteht das auch ihren verblüfften Eltern, ihrem Bruder und dessen Freundin ein…
    »Meine Stimme ist doch wohl eher das Ergebnis des genetischen Downloads, nicht wahr? Was soll dieser Unsinn also, Gott hätte sie mir gegeben?«
    … und doch ist die Vorstellung irgendwie aufregend, ihre Stimme sei ein Geschenk Gottes und daher etwas mehr als eine bloße menschliche Stimme, etwas Erhabeneres. Als Schwester Beatrice Kate eines Abends einlädt, mit ihr und einigen anderen Nonnen essen zu gehen, erkennt sie zwar, daß damit ein gewisser Rekrutierungsversuch beginnt, doch die ganze Aufmerksamkeit schmeichelt ihr. Außerdem wird ihr langsam klar, daß sie diese Leute gut leiden mag. Diese jungen Frauen strahlen eine gewisse Hingabe aus, die sie bei all ihren Freundinnen auf dem College vergeblich sucht. Die Mädchen, die sie kennt, reden immer nur vom Bumsen oder Heiraten, während diese Frauen vom Orden der Sisters of Christ’s Mercy davon sprechen, ihr Leben der Aufgabe zu widmen, Gott zu dienen, indem sie anderen Menschen helfen. Sie sprechen von einer Berufung, von Seelsorge, von Charisma. Sie sprechen von einem bedeutungsvollen Leben, von…
    »Bedeutungsvoll, so eine Scheiße!« schreit Moira in einem Gefühlsausbruch, der bei einer Psychologin, die ausgebildet wurde, geduldig zu lauschen und keine Kommentare abzugeben, nur selten vorkommt. »Du schließt dich vom Rest der Welt weg! Du marschierst…«
    »So ist…«
    »… geradewegs zurück ins zwölfte Jahrhundert!«
    »So ist das nicht mehr!«
    Kate will ihnen dann erklären, vier Paar Ohren, die immer tauber werden, daß sie Informationsbroschüren über den Orden gelesen hat…
    »Den die Schwestern übrigens OSCM nennen…«
    … wie

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