Big Bad City
Heiligen handele. Glaubst du, daß da draußen Nonnen rumlaufen, die Schwester Petra Paulus heißen?«
»Hat ein Junge in der Schule zum ersten Mal Religionsunterricht gehabt und kommt ganz begeistert nach Hause. >Papa, ich will Priester werden<, sagt er. >Kommt nicht in Frage<, erwidert sein Vater. >Bleib lieber ehrlich.<«
»Du bist nicht besonders religiös, oder?« fragte Carella.
»Wie kommst du darauf? Und was hatte der Chef smoking sonst noch zu erzählen?«
»Ob du es glaubst oder nicht, sie hat gesagt, in ihren Gesprächen mit Kate habe sie nicht versucht, sie zum Bleiben zu überreden. Angeblich wollten sie sie unterstützen, ihr helfen, die beste Entscheidung zu treffen. Sie hat mir erklärt, viele Nonnen verließen den Orden aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie hätten die Nase voll, den inneren Halt verloren, sich verliebt, wollten vielleicht einfach nur wieder einen klaren Kopf bekommen.«
»Warum wollte Kate so plötzlich raus?«
»Sie wollte Rocksängerin werden.«
Brown drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Die Detectives saßen nebeneinander in den angemessen leichten Anzügen mit weißen Hemden und Krawatten im Zug nach Philadelphia. Die planmäßige Abfahrt war um 9 Uhr 20 gewesen, und sie würden um 10 Uhr 42 an der 30th Street Station eintreffen. Sie sahen aus wie typische Pendler, nur daß sie keine Zeitung lasen. Vincent Cochran wußte, daß sie kamen. Carella hatte ihn angerufen, bevor sie losgefahren waren.
»Rocksängerin«, wiederholte Brown.
»Ja.«
»Eine singende Nonne.«
»Deshalb hat sie sich ja überhaupt erst für die Kirche interessiert. Weißt du noch? Die von Gott gegebene Stimme?«
»Dann wollte sie also den Orden verlassen…«
»Nur für ein Jahr. Um Gesangsunterricht zu nehmen, einen Job bei einer Band zu bekommen …«
»Das muß bei Carmelita ja richtig toll angekommen sein, oder?«
»Eigentlich hat sie es ziemlich ruhig aufgenommen. Hat Kate vorgeschlagen, einen Psychiater aufzusuchen …«
»Das verstehe ich aber nicht darunter, etwas ruhig aufzunehmen.«
»Sie gebeten, nichts zu übereilen, ihr die Vorteile der Ausschließung erklärt…«
»Das hört sich trotzdem irgendwie schmutzig an.«
»… aber auch die Nachteile. Sie hat ihr gesagt, daß noch einige Dokumente unterzeichnet werden müssen, bevor sie den Orden verlassen kann, und daß der Orden sie vielleicht nicht mehr akzeptiert, wenn sie nach ihrem Jahr zurückkehren will…«
»Ich dachte, das wäre eine Art Sonderurlaub.«
»Mehr oder weniger. Carmelita scheint eine ziemlich ungewöhnliche Person zu sein, Artie. Sie kam mir fast wie eine Visionärin vor. Sie war der Ansicht, wenn Kate so fest an das glaubte, was sie vorhatte, hätte Gott es vielleicht so für sie vorgesehen. Eine andere Berufung gewissermaßen. Dieser neue Beruf, dieser neue Lebensweg. Und wenn Gott es so gewollt hatte, wollte Carmelita Kate ermutigen. Versuche es, hat sie ihr gesagt. Mal sehen, was passiert. Wenn es dir mit dem Singen wirklich ernst ist…«
»ifoc&sängerin?«
»Ich habe das Gefühl, daß sie die Oper vorgezogen hätte. Aber die Wege des Herren sind seltsam …«
»Also hat sie sie gehen lassen.«
»Irgendwann. Es dauerte etwa vier Monate, bis sie den Orden verlassen konnte. Das war in San Diego. Offensichtlich muß man es in der ursprünglichen Diözese zu Ende bringen. Kate stand plötzlich allein da, mußte mit ihrem Geld selbst klarkommen …«
»Schon wieder Geld«, sagte Brown.
»… blieb aber, wie vereinbart, mit dem Kloster in Verbindung …«
»Ist sie Rocksängerin geworden?«
»Carmelita weiß nur, daß sie einen Vertrag bei einer Talentagentur unterschrieben hat.«
»Bei welcher?«
»Das weiß sie nicht.«
»Hier? Oder in Los Angeles?«
»Sie weiß es nicht.«
»Kann ja nur hier oder dort sein. Wo sonst gibt es Talentagenturen?«
»Auf jeden Fall hat es nicht geklappt.«
»Wie meinst du das?«
»Ein halbes Jahr, nachdem sie den Orden verlassen hatte, klopfte sie wieder an die Tür. Sagte, sie habe eine Bekehrung gehabt und das Licht gesehen, wolle wieder aufgenommen werden.«
»Big Mama muß sich wahnsinnig gefreut haben.«
»Hat sie. Im vergangenen Juni hat Kate dann die letzten Gelübde abgelegt.«
»Und jetzt ist sie tot.«
»Und jetzt ist sie tot«, sagte Carella. »Und wir müssen aussteigen.«
Die Familienähnlichkeit ließ sich nicht leicht feststellen. Sie hatten Kate zum ersten Mal gesehen, als sie schon tot und ihr Gesicht in der Sommerhitze bereits
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