Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
Slade. „Ich bin nicht halb so verrückt, wie ich klinge, und für dich besteht keine Gefahr.“
Slade atmete ein paarmal tief durch, ließ den Motor an, legte den Rückwärtsgang ein, blinkte und fuhr los. Er würde bei seinem ursprünglichen Plan bleiben, beschloss er. Was bedeutete, dass er jetzt einen Abstecher zum „Best Western“-Hotel am Stadtrand machen würde, um zu sehen, ob Shea und Layne schon angekommen waren.
Das würde ihn von Joslyn und Hutch ablenken. Hoffte er.
Als er mit Jasper am Hotel eintraf, stiegen Shea und Layne gerade aus einem weißen Mietwagen. Layne – sehr elegant in einem rot-weiß gepunkteten Kleid und mit großer Sonnenbrille – lächelte ihm zu und winkte. Sie war umwerfend schön, seine Exfrau, doch ihr Anblick raubte ihm weder den Atem, noch verursachte er ihm Herzklopfen.
Shea, die in Jeans-Shorts und einem kurzen, rosa und großzügig bauchfreien T-Shirt neben der Beifahrertür stand, hüpfte vor Freude auf und ab, sobald sie ihn entdeckt hatte. Slade nahm an, dass sie sich hier, wo ihre Freundinnen sie nicht sahen, nicht so cool geben musste, wie es bei Mädchen in ihrem Alter sonst üblich war.
„Hey!“ Er sprang aus dem Wagen. Seinen Hut und seinen Hund ließ er im Pick-up.
Shea – klein, dunkelhaarig und mit großen, veilchenblauen Augen – quietschte vor Freude, schlang beide Arme um ihn und drückte ihre Stirn fest an seine Brust. „Hey“, sagte sie mit ein wenig erstickter Stimme.
Layne nahm ihre Sonnenbrille ab, und sie und Slade schauten sich über Sheas Kopf hinweg an. Layne nickte ihm herzlich zu. Slade nickte ebenfalls herzlich und presste Shea noch eine Spur fester an sich.
Mit einem Teenager und einem neuen Hund würde sein Sommer ohne Zweifel ziemlich turbulent werden. Wie würde es erst sein, wenn Joslyn Kirk zu dieser bunten Mischung stieß?
10. KAPITEL
J oslyn stellte fest, dass Hutch nach dem Streit mit Slade im „Butter Biscuit“ sogar noch versessener auf diesen Ausritt war.
Sie fuhren gerade in seinem zerbeulten alten Pick-up über die holprigen Straßen zur Whisper-Creek-Ranch. Joslyn, die auf dem Beifahrersitz saß, biss sich auf die Unterlippe.
„Möchtest du reden?“, erkundigte sie sich.
Hutch verzog mürrisch das Gesicht, ohne den Blick von der staubigen Schotterstraße vor ihnen abzuwenden. „Worüber?“, blaffte er sie an.
Joslyn musterte ihn einfach nur.
Zu Hutchs Entschuldigung musste man sagen, dass er sie sofort betreten ansah. „Tut mir leid.“
„Was ist eigentlich los mit dir und Slade?“ Joslyn hatte sich zwar während des Wortwechsels der beiden vorhin im Café einiges zusammengereimt, doch sie wollte Hutchs Sicht der Dinge hören. Also tat sie so, als hätte sie keine Ahnung, worum es ging.
Er schaute wieder geradeaus, und seine Wangenmuskeln spannten sich so sehr an, dass die Kieferknochen regelrecht hervortraten. „Die alte Geschichte“, sagte er, bemüht, gelassen zu klingen. Es gelang ihm überhaupt nicht. „Wir sind wie Kain und Abel.“
„Ich glaube, da steckt mehr dahinter“, wandte Joslyn vorsichtig ein. Wie alle, die jemals mehr als einen Tag in Parable verbracht hatten, wusste sie, dass die beiden Halbbrüder waren – der eine ehelich geboren, der andere nicht. Doch das war nichts Neues. Also musste vor Kurzem irgendetwas passiert sein.
Hutch sah in ihre Richtung, blinkte und bog bei einem großen Briefkasten mit der Aufschrift „Carmody“ in die Einfahrt ein, die Joslyn noch von früher gut kannte. „Vor ein paar Tagen“, begann er, „hat Maggie Landers mich und Slade in ihre Kanzlei bestellt, um das Testament meines Dads zu verlesen. Die Hälfte von allem, was Dad besessen hat, kriegt Slade.“
Joslyn sagte nichts dazu. Sie presste ihre Hände auf ihreOberschenkel und konzentrierte sich darauf, sich nicht auf die Zunge zu beißen, während der Pick-up über die Schlaglöcher hoppelte.
Sie hatte immer den Eindruck gehabt, dass John Carmody nicht zugeben wollte, dass Slade sein eigen Fleisch und Blut, sein Sohn aus einer früheren Affäre mit Callie war. Es war eines dieser „Geheimnisse“ gewesen, über die in Wahrheit die ganze Stadt im Bilde war.
„Die Hälfte von allem“, wiederholte Hutch grimmig und hielt den Wagen endlich – wenn auch ruckartig – an. Sie blieben bei laufendem Motor zwischen dem zweistöckigen Haus im Kolonialstil und dem langen, niedrigen Stall mit der verwitterten roten Farbe und den weißen Fensterläden stehen. „Einschließlich der
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