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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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ich kenne, der »Salomonischen Weisheit« auf dem berühmten Bilde von Knaus am meisten gleicht.
    Das Geckhol war ehemals eine Sackgasse, dicht an der Stadtmauer und dem Kleinen Jüdenhof; der Name (Geck halt!) bezeichnete mit jener dem Mittelalter eignen plastischen Kraft des Ausdrucks, was anderwärts in unsrer Stadt »Bullenwinkel« hieß und sonst auch in norddeutschen Städten »Burstah« (Bauer steh! bleib stehen, denn da geht es nicht weiter) oder »Kehrwieder« genannt ward, wie einer von den malerischen Punkten in dem nun gleichfalls verschwundenen Gassengewirr von Hamburgs Hafen.
    Man erkennt ihn noch in seiner Gestalt, diesen sich verengenden Streifen der Klosterstraße, welcher sich jetzt nach der Neuen Friedrichstraße öffnet; man erkenntihn aber auch aus seiner Einwohnerschaft, die sich vornehmlich, wie die der ganzen Nachbarschaft, aus dem mittleren und orthodoxeren Teile der jüdischen Bevölkerung von Berlin zusammensetzt. Hier sind jüdische Garküchen und jüdische Cafes – ein »Koscher Grand-Restaurant« und ein »Koscher Frühstückslokal mit französischem Billard« – hier hängen zur Herbstzeit fette Gänse heraus und das ganze Jahr durch magere Hühner; hier lebt noch das Andenken des seligen Frank, eines Mannes, berühmt wegen seines guten Mittagstisches, seiner zivilen Preise und unerhörten Grobheit. Jeder richtige Berliner, welchen Glaubens er auch sei, kennt das geflügelte Wort: »Gorkensalat ist auch Kompott«, ohne vielleicht zu wissen, daß es vom seligen Frank aus der Heiligegeistgasse stammt. Überall an den Läden sieht man hebräische Inschriften; an einem »Rasier-, Frisier- und Haarschneidecabinet« in der Rosenstraße zum Beispiel unter dem deutschen Firmenschild in den besten hebräischen Lettern von rechts nach links die Worte: »Hier wird gezwikkt« (denn ein »ck« gibt es im hebräischen Alphabet nicht, und die frommen Juden lassen sich auch heute noch nicht mit dem Messer rasieren, sondern nur mit der Schere zwicken). Hier sind hebräische Buchläden, deren Schaufenster die Lithographien berühmter Rabbinen in Käppchen und Ornat füllen, und Geschäfte, in denen man alle zum jüdischen Gottesdienst gebräuchlichen Gegenstände erhält. Hier endlich, in der Heidereitergasse, steht die älteste Synagoge, die vom Jahre 1714, »die alte« genannt, im Gegensatz zu der »neuen« in der Oranienburger Straße, der Synagoge der Reformgemeinde, hoch über ihrem Portal in Lettern von Erz das Wort des Propheten, Ezech.XI, 16: »Ja, ich habe sie fernweg unter die Heiden lassen treiben«; und hier, der jüdischen Mädchenschule gegenüber, aus welcher um die Mittagszeit die kleinen Töchter Israels nicht minderlaut und lustig heraus springen als ihre christlichen Altersgenossinnen aus irgendeiner andren Gemeindeschule von Berlin, liest man über der Tür eines ziemlich unscheinbaren Hauses die Inschrift: »Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht. Ev. Marc. X, 15.« – Und wer also, zwischen dem Alten und dem Neuen Testament, dieses enge Gäßchen durchwandelt, der mag vielleicht jener Kirche des römischen Ghettos, der Santa Maria del Pianto, sich erinnern, die mit ihrem funkelnden Kreuz die hoch beim Palaste der Cenci, dem Marcellustheater und Bogen der Octavia gelegene Synagoge noch überragt und ihr in einem hebräischen Bibelvers – einem seltenen Schmuck an einer römischen Kirche! – die ganze Verstocktheit der Juden entgegenhält. Hier aber in Berlin ist es so nicht gemeint. Das kleine Haus in der Heidereitergasse, das Vereinshaus für Innere Mission, ist zugleich eine Kleinkinderbewahranstalt; friedlich und freundlich schaut der Prophet zum Evangelisten hinüber, die beide ja desselben Stammes sind, und ich glaube nicht, daß sie – wenigstens sie nicht – etwas dagegen hätten, wenn die Kinder von hüben und drüben miteinander spielen wollten.
    Der Synagoge in der Heidereitergasse sieht man ihr Alter nicht an; nichts Spinnenwebartiges, Finsteres oder Staubiges ist in ihr. Neuerdings restauriert, glänzen ihre Wände von Weiß, der Sonnenschein dringt durch bunte Scheiben, und schön getäfelt ist die Decke. Doch der Gottesdienst bewegt sich in den alten strengen Formen; hinter kostbaren Vorhängen, wie Heine sie geschildert, birgt sich das Allerheiligste, darüber die Gesetzestafeln mit zwei vergoldeten Löwen als Schildhaltern und die siebenarmigen Leuchter davor, gleich den Leuchtern des Tempels von Jerusalem auf dem Triumphbogen des Titus über

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