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Bilder aus der Anderwelt

Bilder aus der Anderwelt

Titel: Bilder aus der Anderwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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war nicht gerade für Mitgefühl berühmt.
    Die Besitzer und später die Gläubiger wandten sich an Priester und Exorzisten, forderten Luftschläge und hochexplosive Sprengstoffe an, aber nichts half. Der Vergnügungspark war ein wirklich mieser Ort, und die meisten Leute hatten genug Verstand im Schädel, ihm fernzubleiben. Doch dies war nun einmal die Nightside, und es gab immer besonders Tapfere oder besonders Dumme, die solche Orte als Versteck nutzten, in dem Wissen, dass nur die verzweifeltsten Verfolger auch nur daran denken würden, ihnen auf den Fersen zu bleiben.
    Ich blickte Suzie an. „Wie wäre es mit einem Spaziergang? Lass uns einen Blick auf all den Spaß im Vergnügungspark werfen."
    „Warum nicht?", antwortete Suzie.
    Wir schritten Schulter an Schulter durch den Torbogen ins Auge des Sturms. Im Park war es bitterkalt, und in der Stille machte sich eine flaue, bedrückende Stimmung bemerkbar. Unsere Schritte erzeugten nicht das geringste Echo. Um uns ragten Fahrgeschäfte und Attraktionen bedrohlich empor, finstere, skelettartige Konstruktionen, und die runden, fast organischen Umrisse der zerfetzten Zelte und Kartenhäuschen. Wir hielten uns in der Mitte der mondbeschienenen Verbindungswege. Das Licht schien die Schatten nicht durchdringen zu können. Hier und da bewegten sich am Rande meines Sichtfeldes Dinge durch die Dunkelheit, vielleicht vor dem böigen Wind dahingetrieben, der ständig heftiger zu werden schien. Suzie sah sich funkelnd um, die Schrotflinte immer im Anschlag. Vielleicht ging ihr die bedrückende Atmosphäre des Ortes nahe, vielleicht auch nicht. Suzies Rezept waren präventive Vergeltungsmaßnahmen.
    Wir kamen an einer altertümlichen sprechenden Waage vorbei, und ich blieb grübelnd stehen.
    „Ich kenne jemanden, der diese Dinge sammelt", sagte ich extra nonchalant. „Er versucht ihnen einzutrichtern, wie man ein ordentliches Halleluja singt."
    „Warum?", fragte Suzie.
    „Ich glaube nicht, dass er so weit vorausgedacht hat", gab ich zu.
    Wir schreckten zurück, als das Gerät vor uns klickend zu neuem Leben erwachte. Teile bewegten sich im Inneren und rieben aneinander, obwohl keiner von uns auf die Waage gestiegen war; der Sprachautomat gab ein tiefes, stöhnendes Geräusch von sich, als hätte er Schmerzen. Das flache, bemalte Gesicht leuchtete auf, Funken stoben, und mit einer Stimme, in der keinerlei Menschlichkeit zu erkennen war, sprach die Maschine zu uns: „John Taylor. Kein Vater, keine Mutter. Keine Familie, keine Freunde, keine Zukunft. Gehasst und gefürchtet, nie geschätzt oder gar geliebt. Warum stirbst du nicht einfach, dann hast du's hinter dir?"
    „Nicht mal annähernd", entgegnete ich ruhig. „Du würdest dich sicher auch mit dem Gewicht irren."
    „Susan Shooter", sagte die Stimme. „Die ewige Junggesellin, nie eine Braut. Niemand, der dich jemals berühren wird, niemals. Nicht deine Brust, nicht dein Herz. Du vermisst deinen Bruder, auch wenn er dich als Kind sexuell missbraucht hat. Manchmal träumst du, wie es sich angefühlt hat, wenn er dich berührte. Keine Liebe für dich, Susan. Keine Liebe, nicht jetzt und nicht in der Zukunft."
    Suzie hob die Schrotflinte und blies das bemalte Gesicht in Stücke. Die Maschine schrie einmal auf und war still. Suzie lud nach. „Maschinen sollten ihren Platz in der Welt kennen", sagte sie.
    „Man kann hier nichts trauen", stellte ich fest. „Der Teufel lügt immer."
    „Außer wenn die Wahrheit mehr schmerzt."
    „Er kennt dich nicht, wie ich das tue", entgegnete ich. „Ich liebe dich, Suzie."
    „Warum?"
    „Irgendjemand muss es tun. Es gibt einen Mann für jede Frau und eine Frau für jeden Mann. Freu dich einfach, dass wir einander gefunden haben."
    „Das tue ich", sagte Suzie. Mehr würde sie nicht mehr dazu sagen.
    Plötzlich fuhr sie herum, die Schrotflinte auf einen bestimmten Schatten gerichtet. „Komm raus. Komm raus ins Licht, wo ich dich sehen kann."
    Max Maxwell löste sich vorsicht ig aus den Schatten; im echten L eben war er noch größer, als sein Geisterabbild hätte vermuten lassen. Er hatte seine riesigen Hände erhoben, um uns zu zeigen, dass sie leer waren, und dann lächelte er langsam und graue Lippen zogen sich zurück und gaben den Blick auf graue Zähne frei.
    „Du bist gut, Suzie", sagte er mit einer tiefen, sonoren Stimme, die klang, als würden Mühlsteine aneinander reiben. „Niemand sonst hätte gewusst, wo ich bin."
    „Niemand schleicht sich an mich an", zischte

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