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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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der gern ihre Augen hinter den blitzenden Gläsern gesehen hätte. Wenn er doch nur ihre Augen sehen könnte, dachte er. Wenn er sie sähe, wüsste er, dass er das Richtige getan hatte. Das war es, was Amy wollte. Getreulich hatte er ihren letzten Willen ausgeführt, ihr Testament vollstreckt.
    Aber Oneida versteckte sie, ihre Brillengläser waren weiße Teiche, die die trübe Treppenhausbeleuchtung über ihnen und all den sie umgebenden Sonnenschein eines Novembertags spiegelten, der den Tag viel zu hell begonnen hatte – Licht, das wie eine Ozeanwelle durch das erste Stockwerk brach, sich in der Diele sammelte und durch den leeren Kern des Hauses nach oben stieg, bis das Haus davon erfüllt war und keine Schatten, keine dunklen Ecken, keine Winkel mehr blieben, wo die Wahrheit sich verstecken konnte. Eine ganze Welt ertränkt in Licht.

22 Flasche, zerbrochen
     
    Oneida dachte, haha .
    Dann spürte sie einen Knochen – winzig, zerbrechlich wie der eines Vogels – in ihrer Kehle. Sie schluckte ein-, zweimal dagegen an, aber er saß fest.
    »Was« – würgte sie flüsternd heraus –, »was meinen Sie damit?«
    Arthur wirkte jetzt gar nicht mehr so sicher. Eher ängstlich. Seine Augen schossen hin und her.
    »Wagen Sie es ja nicht«, sagte sie. »Sagen Sie mir, was Sie meinen.«
    »Komm mit runter in mein Zimmer«, sagte er.
    »Nein.« Oneida schluckte wieder und wieder. Dieser blöde Knochen. »Erzählen Sie es mir hier und jetzt.«
    »Mona hat dich aufgezogen«, sagte Arthur. »Ausgetragen hat dich Amy.«
    Der Knochen brach entzwei, und als Oneida wieder schluckte, grub er seine spitzen Enden in das weiche Fleisch ihrer Kehle. »Aber das ist … unmöglich«, sagte Oneida. »Warum erzählen Sie mir so was?«
    »Weil es die Wahrheit ist«, sagte Arthur. »Bitte komm mit mir runter in mein Zimmer, ich kann dir zeigen …« Er zupfte mit seinen Händen an seinem Gesicht herum. »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, wie ich es dir beweisen soll …«
    »Verpissen Sie sich, Arthur.«
    Oneida rannte die Treppe hinunter.
    Mona saß in der Küche und trank einen Riesenpott Kaffee wie an jedem anderen Samstagmorgen in Oneidas Leben auch. Sie blickte hoch, als Oneida in der Tür auftauchte.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Mona.
    Ich weiß es nicht. Als würde ich an meinem eigenen Blut ersticken .
    »Gut«, antwortete Oneida. Sie versuchte zu schlucken.
    »Da ist frischer Kaffee, und im Kühlschrank liegt eine Grapefruit. Die Beamten von der Landespolizei haben vor einer Weile angerufen. Sie brauchen eine Aussage wegen gestern Abend.« Monas Augen zuckten in ihren Höhlen. »Ich sagte ihnen, wir werden um zehn Uhr dort sein.«
    »Gut.«
    Und es war gut. Oneida erzählte den Polizisten all das, was sie auch der Einsatzzentrale der Polizei am Abend davor erzählt hatte, doch sie sprach nicht mit so schwerer Zunge.
    »Ist das wirklich wahr?«, hakte Mona nach, als sie zurück zum Wagen gingen. »Was du über Andrew und Eugene erzählt hast?«
    »Natürlich ist es das«, antwortete Oneida und dachte, ich habe ihnen die Wahrheit gesagt. Ich habe ihnen zwar nicht alles erzählt, aber was ich erzählt habe, ist wahr. Ich erzählte ihnen, dass Eugene Andrews Gitarre kaputtgemacht hat; dass er es für mich getan hat, habe ich nicht gesagt. Ich erzählte ihnen, dass Eugene und Andrew auf dem Ball Streit miteinander hatten; dass Eugene ausgerastet ist, weil er Angst hatte, ich könnte sein wunderbares Geheimnis verraten, sein wunderschönes Geheimnis, das ich niemals jemandem erzählen werde, keiner Menschenseele auf diesem oder jedem anderen existierenden Planeten, auf dem ich jemals hausen werde. Und ich erzählte ihnen, was Andrew Lu mir erzählte: dass unser Gruppenprojekt in Geschichte seinen Notendurchschnitt vermasselt hat und er dafür Rache nehmen wollte. Ich erzählte ihnen nicht, dass ich zu Eugene Wendell hätte netter sein können, als ich Gelegenheit dazu hatte. Ich erzählte ihnen nicht, dass Eugene Wendell schließlich auch ein Seelenverwandter war: ein Seelenverwandter und ein Freak und mein einziger Freund.
    »Es tut mir schrecklich leid.« Mona seufzte. »Dass du das alles hast durchmachen müssen. Und es tut mir so leid, dass du dachtest, es mir nicht erzählen zu können, bis – jetzt.«
    Oneida ging nicht darauf ein. Oneida wusste nicht, was geschah. Sie saß neben ihrer Mutter im Auto und sie redeten nicht, und Oneida versuchte sich vorzustellen, wie es für Mona wäre, nicht ihre Mutter zu sein.
    »Du

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