Bilder von dir: Roman (German Edition)
sechzehn Jahren zu werden versucht hatte, mit Anzeichen, die auf die Frau verwiesen, die sie in den nächsten vierzig, fünfzig Jahren sein würde. Ihre Augen waren klar und offen, mit einem weichen Ausdruck, dank der Fältchen, die Arthur erzählten, dass sie gelacht, gelebt und gelogen hatte; ihr Kinn war fest und resolut. Von hinten beschien sie warmes Licht, das beim Brennen tanzte wie eine Kerze, die die Papierhaut einer Laterne mit Leben erfüllt. Er stellte sich ihr Gesicht mit silbern leuchtendem Haar vor und tieferen und längeren Falten um ihre Augen und ihren Mund.
»Erklär mir das.« Sie warf ihm ein gefaltetes Stück Papier an die Brust und rempelte ihn an, obwohl sie wusste, dass er noch immer ein zusammengeflickter Haufen war. Sie wollte ihm wehtun, und er konnte es ihr nicht verdenken. Sie schob ihn beiseite und betrat sein Zimmer. Arthur schloss hinter ihr die Tür und faltete das Blatt Notizpapier mit der Dreierlochung und der dünnen blauen Linierung auf. Mona stand darauf.
Ich weiß von Amy. Arthur hat es mir erzählt. Ich weiß, dass du mich liebst, aber ich weiß nicht, was das bedeutet. Ich gehe weg, bis ich es herausgefunden habe. Mach dir keine Sorgen und such nicht nach mir. Ich werde dich finden, wenn ich bereit dazu bin .
»Für wen hältst du dich eigentlich?« Das war nicht direkt eine Anklage, und Arthur, der eine rhetorische Frage, die ihm sein Leben retten konnte, noch nie als solche hatte erkennen können, glaubte, endlich die richtige Antwort zu wissen.
»Ich bin Amys Testamentsvollstrecker«, sagte er.
Mona schlug ihn. Damit hatte er nicht gerechnet, er hatte noch nie unvorbereitet einen Schlag abbekommen (es sei denn, man zählte die Art, wie Amy starb, dazu). Blut drängte in seine Nase. Seine Haut brannte von seiner Wange bis zu seiner Nasenöffnung, die warm und plötzlich feucht war. Vor Schock entwich ihm ein Krächzen.
»Amy hat hier nichts zu bestimmen, Arthur. Amy gab ihr Recht, irgendwas mit meiner Tochter zu tun zu haben, auf, als sie sie in der Badewanne einfach liegen ließ.«
»Das sehe ich nicht so …«
»Wach auf, Arthur.« Mona hielt ihre Hände mit gespreizten Fingern vor ihre Brust, als versuchte sie, die Wahrheit wie einen Basketball aufzunehmen. »Ich – mein Gott – Amy Henderson war eine ganz normale Frau. Sie war nicht dieses brillante, zauberhafte Geschöpf. Das war eine Illusion Arthur, es war eine Täuschung, und es tut mir leid, dass du sie geliebt hast, aber das solltest du jetzt erkennen. Mach endlich die Augen auf.«
»Ich finde nicht …«
»Sie hat ihr Baby zurückgelassen!«
»Was kannst du ihr nicht verzeihen?« Arthurs Gesicht brannte. »Dass sie ihr Kind verlassen hat oder dich ?«
»Ich soll wählen?«, schrie Mona. »Was kannst du eigentlich nicht akzeptieren: dass du jemanden geliebt hast, der etwas sehr Schlimmes getan hat, oder dass du einen Menschen geliebt hast, den du eigentlich gar nicht richtig kanntest?«
»Werd erwachsen, Mona«, sagte Arthur. »Gott sei dank bleibt niemand derselbe Idiot, der er mit fünfzehn war. Man vermasselt was und versucht, sich über sein Leben klar zu werden. Man verändert sich. Amy wurde erwachsen und verwandelte sich in etwas ganz Wunderbares. Du kanntest sie nicht.«
Er musste an die Postkarte denken. Du kanntest mich besser als alle anderen. Ich glaube, du kanntest mich besser als ich mich selbst. Und da verstand Arthur.
Seine Amy. Seine Amy – dieselbe Frau, die einen Haufen Metall und Draht anschaute und darin die Blaupausen des Lebens sah, deren Fingerspitzen weich, deren Geist einzigartig und absolut war – war einmal ein junges Mädchen in einer unvertretbaren Situation gewesen. War ein Körper voller Verlangen gewesen, dann ein Körper, der im Bann der Biologie und Neugier stand, und schließlich ein Körper, der Entscheidungen treffen musste, die sie an keinem vergleichbaren Fall ausrichten konnte. Seine Amy schuf Realitäten mit reiner Willenskraft. Seine Amy hatte ihr Leben der Vortäuschung gewidmet. Und seine Amy war ein Mädchen mit der Vorstellungskraft und dem Willen gewesen, seine eigene Flucht einmal zu planen und dann erneut zu planen: Sie bekam ihr Kind, und sie ließ ihr Kind zurück, weil sie es tun musste. Es tun musste, um sich weiterhin etwas vormachen und das Leben erschaffen zu können, das sie sich für sich selbst erträumte. Ihn schauderte. Ob sie es ihm jemals erzählt hätte? Jemals gewollt hätte, dass er es erfuhr? Oder hätte sie dieses Geheimnis
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