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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Nachricht geben, falls Sie mir Ihre Adresse hinterlassen; ich schicke Ihnen einen Boten, ein Telegramm, ich rufe an, wenn Sie wollen. Für unsere Kunden tun wir doch alles.«
    Hugo verzog keine Miene; Erkennen wird nur auf Wunsch der Gäste vollzogen; im Billardsaal gebrüllt? Diskretion; Stacheldrahtpeitsche? Nein; unangebrachte Vertraulichkeiten und Kombinationen müssen vermieden werden; Diskretion ist das Banner des Berufs. Die Karte? Hier bitte, die Herren. Ist der Platz den Herren genehm? Ostseite, Fensterplatz, nicht zuviel Sonne? Blick auf das Ostchor von Sankt Severin:
    frühromanisch, elftes oder zwölftes Jahrhundert; Erbauer: der heilige Herzog Heinrich, der Wilde. Jawohl, mein Herr, den ganzen Tag über warme Küche; alle Speisen, die Sie auf der Karte finden, von zwölf bis vierundzwanzig Uhr servierbar. Das beste Menü? Sie haben ein „Wiedersehensfest“ zu feiern; leicht vertrauliches Lächeln, wie es bei einer solch vertraulichen Mitteilung angebracht ist; nur nicht denken; Schrella, Nettlinger, Fähmel; keine Kombinationen; Narben auf dem Rücken? Ja, der Ober wird gleich kommen und Ihre Bestellung entgegennehmen.
    »Trinkst du auch einen Martini?« fragte Nettlinger.
    »Ja, bitte«, sagte Schrella. Er gab dem Jungen seinen Mantel, seinen Hut, fuhr sich durchs Haar und setzte sich; im Saal saßen nur wenige Gäste, in der Ecke hinten, murmelten leise miteinander; sanftes Lachen wurde von mildem Gläserklirren untermalt; Sekt.
    Schrella nahm den Martini vom Tablett, das der Kellner ihm hinhielt, wartete, bis auch Nettlinger seinen genommen hatte, hob das Glas, nickte Nettlinger zu und trank; Nettlinger schien auf eine unangemessene Weise gealtert; Schrella hatte den strahlenden blonden Jungen in Erinnerung, dessen brutaler Mund immer einen gutmütigen Zug behalten hatte; der mit Leichtigkeit einssiebenundsechzig hoch gesprungen, die hundert Meter in 11,5 gelaufen war; Sieger, brutal, gutmütig, aber
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    offenbar, dachte Schrella, sind sie nicht einmal ihrer Siege froh geworden; schlechte Erziehung, schlechte Ernährung und keinen Stil; frißt wahrscheinlich zuviel; schon halb kahl, schon Alterssentimentalität im feuchten Auge. Nettlinger beugte sich mit fachmännisch verzogenem Mund über die Speisekarte, seine weiße Manschette rutschte hoch, eine goldene Armbanduhr wurde sichtbar, der Trauring am Ringfinger; mein Gott, dachte Schrella, selbst wenn er das alles nicht getan hätte, würde Robert wohl keine Lust haben, mit ihm Bier zu trinken oder seine Kinder zu familienverbindendem Badmintonspiel in Nettlingers Vorstadtvilla zu führen.
    »Darf ich dir etwas vorschlagen?« fragte Nettlinger.
    »Bitte«, sagte Schrella, »schlag mir was vor.«
    »Also hier«, sagte Nettlinger, »da gäbe es als Vorspeise einen ausgezeichneten Räucherlachs, dann Hühnchen mit Pommes frites und Salat, und ich würde meinen, daß wir uns nachher erst entschließen, welchen Nachtisch wir nehmen; weißt du, für mich ergibt sich der Appetit auf den Nachtisch erst während des Essens, ich vertraue da meinem Instinkt - ob ich nachher Käse, Kuchen, Eis oder ein Omelette nehmen werde; nur über eins bin ich mir vorher schon sicher; über den Kaffee.« Nettlingers Stimme klang, als hätte er an einem Kursus ›Wie werde ich Feinschmecker?‹ teilgenommen; noch wollte er seine einstudierte Litanei, auf die er stolz zu sein schien, nicht abbrechen, murmelte Schrella zu: »Entrechte a deux - Forelle blau - Kalbsmedaillon.«
    Schrella beobachtete Nettlingers Finger, der andächtig an der Liste der Speisen herunterwanderte, an bestimmten Speisen hielt
    - Schnalzen, Kopfschütteln, Unentschlossenheit - »Wenn ich Poularde lese, werde ich immer schwach.«
    Schrella steckte sich eine Zigarette an, war glücklich, daß er diesmal Nettlingers Feuerzeug entging; er nippte an seinem Martini, folgte mit den Augen Nettlingers Zeigefinger, der nun
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    bei den Nachspeisen angekommen war. ›Ihre verfluchte Gründlichkeit‹, dachte er, ›verdirbt einem sogar den Appetit auf so was Vernünftiges und Gutes wie gebratenes Huhn; sie müssen einfach alles besser machen und sind offenbar auf dem besten Wege, sogar in der Zelebrierung des Fressens die Italiener und Franzosen noch zu übertrumpfen.‹
    »Bitte«, sagte er, »ich bleibe bei Hühnchen.«
    »Und Räucherlachs?«
    »Nein, danke.«
    »Du läßt dir da etwas ganz Köstliches entgehen; du mußt doch einen Mordshunger haben.«
    »Den habe ich«, sagte Schrella, »aber ich

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