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Billigflieger

Titel: Billigflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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Wohnung des Neuen standen, war es genau so, wie ich erwartet hatte - er wusste von nichts. Ich überlegte kurz, ob ich ihn auf die Seite ziehen und über Camilla aufklären sollte, hielt dann aber doch die Klappe. Ich hatte zu viel Angst, dass er das Paket direkt wieder an den Absender zurückschicken würde.
    Aber, wie gesagt, mit Nina war es etwas anderes. Es trat nämlich ein Phänomen ein, von dem ich bis zu dem Zeitpunkt immer nur gehört hatte, das ich aber nicht aus eigener Anschauung kannte. Mann nennt es wohl Gewöhnung . Bis dahin hatte ich es eher für eine Art Krankheit gehalten. Aber das ist es gar nicht.
    Gewöhnung bedeutet, dass man Seiten an einer Frau kennenlernt, die man eigentlich nie kennenlernen wollte. (Den Typen unter euch, die immer noch in freier Wildbahn leben, empfehle ich, die folgende Passage nicht zu lesen, sondern geflissentlich zu übergehen. Es kommen nämlich ein paar schmerzliche Wahrheiten darin vor.)
    Man erfährt zum Beispiel, dass auch Frauen ganz normale menschliche Bedürfnisse haben, dass sie nachts aufstehen und an den Kühlschrank gehen, dass es unangenehm riecht, wenn sie auf dem Klo waren, dass sie einen bitten, doch mal nachzusehen, ob sich der Pickel auf ihrem Arsch wirklich entzündet hat. Es bedeutet aber auch, dass man mitkriegt, dass sie keineswegs nur Unterwäsche von Passionata haben, sondern auch ganz normale Baumwollslips mit kleinen Löchern drin.
    Und als wäre all das nicht genug, erlebt man auf einmal auch Abende, an denen man nicht mit seiner Freundin schläft, obwohl sie neben einem im Bett liegt - weil man einfach zu müde ist. Oder dass man doch mit ihr schläft, obwohl man eigentlich viel lieber fernsehen oder im Internet surfen würde. Weil sie einem sonst die Hölle heißmacht oder die halbe Nacht diskutieren will. (Was sie dann natürlich trotzdem tut: Man hätte sich den Sex also sparen können.)
    Dank Nina habe ich erfahren, dass es für all diese Dinge eine wundervolle Entschädigung gibt. Eine Frau bietet dir im Gegenzug so etwas wie ein Zuhause . Ich meine damit etwas Tiefes und Wichtiges, ein Gefühl, bei dem du weißt, wo du hingehörst. Und das ist, auch wenn wir Männer es nicht gerne zugeben, gar nicht so schlecht.
    Darum erscheint es mir irgendwie auch ganz natürlich, dass Nina und ich heiraten werden - auch wenn der Entschluss dazu nicht ganz so zustande kam, wie ich mir das immer vorgestellt hatte.
    Bis dahin hatte ich Heiraten für ähnlich überflüssig gehalten wie eine Jahreskarte für den Zoo oder ein Abonnement für den Pornokanal von Premiere. Warum sich festlegen? Wenn man Lust auf einen heißen Film hat, geht man halt in die Videothek und besorgt sich einen.
    Vor ungefähr sechs Monaten nahmen die Dinge dann eine erstaunliche Wendung. Es war an einem Sonntagnachmittag, wir waren zu Besuch bei meinen Eltern. Nina und meine Mutter hatten sich von Anfang an prächtig verstanden. Es war geradezu Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie waren unzertrennlich, weswegen wir regelmäßig meine Eltern besuchten und den Tag mit ihnen gemeinsam im Garten verbrachten. (Vorher hatte ich dies tunlichst vermieden. Ich mag meine Eltern - und mit genügend Abstand mag ich sie noch lieber.)
    Ich saß also an dem Tag mit meinem alten Herrn drinnen auf dem Sofa und sah zu, wie Schumi seine Runden durch Imola drehte. Lautlos allerdings, weil wir den Ton abdrehen mussten. Nina hasste es, wenn im Hintergrund der Fernseher Lärm machte. Immerhin konnten wir so hören, was die beiden draußen auf der Terrasse so zu besprechen hatten.
    »Wie findest du denn das hier, Elke?«, hörte ich Nina sagen.
    »Ganz bezaubernd. Aber ist dieser Schleier nicht ein wenig übertrieben, meine Gute?«
    Etwas raschelte, vermutlich waren es die Seiten eines Modekatalogs.
    »Oder das hier mit dieser Schärpe - ist das nicht raffiniert?«
    »Aber der Preis, Nina. Der Preis.«
    »Ach, das geht schon. Hat Jo dir nicht erzählt, dass er jetzt abends immer noch Werbeprospekte austrägt?«
    »Ja, dann …«, sagte meine Mutter und juchzte. »Ach, Kinder - ich freu mich ja so für euch. Wird auch wirklich Zeit, dass ihr diesen Schritt geht.«
    Ich sah meinen Vater fragend an. Es kam ohnehin nur einoder zweimal am Tag vor, dass er den Blick vom Bildschirm abwandte. Jetzt war es so weit.
    »Reden die beiden wirklich über das, was ich vermute?«, fragte ich ihn. (Nur zur Information: Ich dachte immer, ein Paar würde erst einmal untereinander übers Heiraten reden, bevor dann die

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