Billigflieger
wirklich tue. Das ist jedenfalls nicht unbedingt der Aufzug, den man sich wünschen würde, wenn man der Frau gegenübertritt, an die man die zurückliegenden 36 Stunden gedacht hat. Oder doch?
Für einen Moment sehen wir uns stumm an. Dann verziehen sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln und sie sagt: »Hallo, Jo. Ich dachte, du wolltest deine Ruhe haben. Ich wollte dich bestimmt nicht stören.«
»Wenn es überhaupt einen Menschen gibt, der mich stören darf, dann bist du das.«
Sie sieht mich irritiert an, und es dauert einen Moment, bis ich es merke.
»Ich meine natürlich: Du störst mich gar nicht. Überhaupt nicht. Nicht im Geringsten. Es war nur …«
»Was?«, fragt sie, und es klingt schon ein wenig versöhnlicher als gerade eben noch.
»Ich war einfach nur so überrascht, deine Stimme zu hören. Ich wollte bestimmt nicht abweisend sein.«
»Warst du aber.«
»Das tut mir leid. Ich dachte einfach nur, dass ich … träume. Und zwar von dem bezauberndsten Mädchen, das ich kenne. Und ich konnte doch nicht ahnen, dass dieses Mädchen wirklich vor mir steht.«
»Das ist die merkwürdigste und zugleich schönste Entschuldigung, die ich jemals gehört habe.«
»Dann nimmst du sie also an?«
»Worauf du dich verlassen kannst.«
Wir stehen voreinander, sehen uns in die Augen, und mir ist so schwindelig, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Okay, das liegt natürlich nicht nur an ihr, sondern auch an dem Alkohol von letzter Nacht. Trotzdem gibt es mir zu denken. Bei Frauen mit solchen Nebenwirkungen sollte man vorsichtig sein.
Außerdem schleicht sich noch ein anderes Gefühl in mein Bewusstsein. Ich komme mir nämlich auf einmal vor wie ein Roulettespieler, der gerade sein letztes Geld und überhaupt alles, was er besitzt, auf den Tisch gelegt hat. Und jetzt rollt die Kugel. Ich weiß, dass ich alles verlieren oder alles gewinnen kann. Und jetzt ist es zu spät, es mir anders zu überlegen.
Also gut. Angriff ist die beste Verteidigung.
»Und, hast du etwas Zeit für mich?«, frage ich daher, wobei ich mir natürlich Mühe gebe, nicht allzu interessiert zu klingen.
Das ist einfach eine Lebensweisheit, die jeder Mann stets beherzigen sollte. Man darf Frauen nie zu viel Interesse bekunden. Es turnt sie ab. Du gibst ihnen nämlich das Gefühl, ein Sonderangebot zu sein. Auf Schnäppchen stehen sie beim Shoppen. Aber Männer dürfen sie nicht dazu machen.
Katie lächelt mich an, allerdings auch eher zurückhaltend. »Habe ich - aber was bedeutet etwas ?«, erkundigt sie sich.
»Den ganzen Rest des Tages.«
»Sehr gerne sogar. Und vielleicht sogar noch länger.«
Wow! Gesetzt und gewonnen, nennt man das wohl. Auf Zahl. Höchstgewinn. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Am besten gar nichts. Cool bleiben. Ist besser, jedenfalls bei Mädchen von Katies Kaliber. Außerdem bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich wirklich gewonnen habe. Oder ob die Kugel nicht gerade erst zu rollen begonnen hat. Schließlich war da ja noch etwas anderes. Aber was? Ach ja, ich heirate in fünf Tagen. Und zwar eine andere.
23. Alles bleibt anders
In der zurückliegenden Stunde haben sich zwei entscheidende Dinge verändert: Erstens habe ich jetzt etwas an - um genau zu sein meine übliche Kluft, nämlich Jeans und T-Shirt. Und zweitens sitze ich in Katies Alfa Spider auf dem Beifahrersitz und pese gemeinsam mit ihr über eine mallorquinische Autobahn in nordwestlicher Richtung. Insgesamt halte ich das Ganze für so eine Art unverhofftes Glück. Schließlich habe ich noch vor zwei Stunden geglaubt, dass ich Katie niemals wiedersehen werde.
Der kurze Abschied von den Jungs vorhin war übrigens ungefähr so, wie ich es erwartet habe. Rührend.
Nachdem ich zurück in die Hotelanlage gekommen war, standen Hacki, Benni und Schröder bereits Spalier und sahen mir erwartungsvoll entgegen (also mit offenem Mund, heraushängender Zunge und Schweißperlen auf der Stirn, so als hätte ich Katie mal eben hinter der Hotelmauer vernascht und als kämen sie jetzt im Anschluss zum Zug).
»Und, wie ist es gelaufen?«, fragte Hacki.
»Hast du sie klargemacht?«, fragte Schröder.
»War sie so lecker, wie sie aussieht?«, fragte Benni.
Jeder andere Mensch hätte nur die Stirn gerunzelt und mit den dreien nie wieder ein Wort gewechselt. Hätte ich am liebsten auch gemacht, aber leider sind sie nun mal meine besten Freunde.
»Erstens, es ist gut gelaufen. Zweitens, ich habe gar nichts klargemacht. Und drittens, das geht euch
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