Billigflieger
trinken zu können. Na ja, zugegeben, und weil es schmeckt.)
Ich komme nicht dazu, irgendetwas zu sagen, denn Katie deutet gerade mit der Hand lässig in meine Richtung. Daraufhin verwandelt sich Xaviers Gesichtsausdruck, mit dem er mich betrachtet, schlagartig von »Wer ist eigentlich dieser Penner?« in »Treten Sie doch näher, mein Herr«. Ja, er vermittelt mir geradezu das Gefühl, dass ich so etwas wie ein Recht zu leben hätte.
Es ist schon ein seltsames Phänomen, dass man den Leuten ihre Vermögensverhältnisse ansehen kann. Darum ist es diesem Xavier auch nicht schwergefallen zu erkennen, dass ich nicht zu den Leuten gehöre, die normalerweise hierherkommen, um zu essen, zu übernachten oder auch nur eine Postkarte zu kaufen.
Und glaubt mir, es liegt nicht an meinen Klamotten. Nehmt zum Beispiel die Rockstars, die auch immer in den teuersten Hotels absteigen, aber nicht selten aussehen wie die letzten heruntergekommenen Obdachlosen. (Ich erinnere jetzt nur mal an Ozzy Osbourne oder Karl Dall.) Trotzdem würde es kein Hotelpage wagen, diese Typen vor die Tür zu setzen - weil man Geld eben riechen kann. Es verströmt einen dezenten Geruch, den Hotelangestellte, Wohnungsmakler und insbesondere Angehörige des jeweils anderen Geschlechts instinktiv wahrnehmen und in zuvorkommende, hilfsbereite und stets charmante Wesen verwandelt. Beneidenswert.
»Das ist mein Freund Joachim, Xavier. Er ist zum ersten Mal hier.«
Sie verkündet es wie eine Prinzessin und macht dazu eine lässige Geste in meine Richtung - ungefähr so, als wäre ich ein Koffer und sie hätte darum gebeten, dass jemand ihr Gepäck aufs Zimmer bringen möge.
Xavier ist das egal. Er ist Profi. Also ein Professioneller - wenn ihr wisst, was ich meine. Für das nötige Trinkgeld ist er zu jedem nett, sogar zu einem Typen wie mir. Er nähert sich mir unter lauter Verbeugungen und begrüßt mich mit einem für meinen Geschmack zu weichen Händedruck - so als wären er und ich seit Jahren die besten Freunde.
»Señor Joáchim. Ich begrüße Sie herzlich in unserem Haus. Wenn Sie mir bitte folgen wollen - ich begleite Sie und die hochgeschätzte Señora Katie selbstverständlich persönlich zu Ihrem Tisch.«
Lackaffe. Tunte. Mistvieh, denke ich. Aber ich halte aus lauter Rücksicht erst einmal die Klappe, füge mich in mein Schicksal und trabe den beiden brav hinterher.
Es ist ja nicht so, dass ich nicht meine Erfahrungen mit Geld gemacht hätte. Und zwar damit, welches zu haben, und damit, keines zu haben.
Und genau diese erlebten finanziellen Engpässe sind es, die mich von den Leuten unterscheiden, denen wir auf dem Weg zum Restaurant begegnen. Die Männer tragen teure cremefarbene Sommeranzüge und Panamahüte, die Frauen wallende Strandkleider und Flipflops der Marken Prada oder Gucci, und sie haben allesamt nur Teil eins der Lektion mitbekommen - nämlich über Geld zu verfügen. Und so sind sie auch: arrogant und ahnungslos, wie das Leben für die meisten Menschen auf diesem Planeten in Wirklichkeit ist.
Okay, das klingt jetzt so, als wenn ich Vorurteile gegen Reiche hätte. Stimmt auch, die habe ich. Ich mag sie nämlich nicht. Ich kann sie sogar überhaupt nicht ausstehen, und ich würde jedem Einzelnen von ihnen wünschen, wenigstens mal eine Woche von Hartz IV leben zu müssen, dazu am liebsten in einer Hochhaussiedlung in einem sozial schwachen Gebiet, umgeben von Nachbarn, die einen begrüßen, indem sie einem ihre Messersammlung unter die Nase halten. Diese Erfahrung gönne ich ihnen. Danach können wir gerne weitersprechen. Dann wissen sie nämlich wenigstens, wie das Leben noch aussehen kann.
Meine Einstellung hat etwas mit meinem Job bei der Versicherung zu tun. Vor ein paar Jahren bin ich in die Abteilung für Schadensbegutachtung gewechselt. Und da habe ich es immer wieder mit solchen Typen zu tun, die in den besten Wohngegenden wohnen, die teuersten Autos fahren und die feinsten Klamotten tragen - Menschen also, denen es an nichts mangelt.
Aber das hält sie nicht davon ab, mit den billigsten Tricks immer wieder einen Versicherungsbetrug hinzulegen, um so eine neue Bang & Olufsen-HiFi-Anlage, eine Dreifachverglasung für ihre Villa oder eine neue Rundumlackierung für ihren Mercedes zu bekommen. Wenn ich sie dann zur Rede stelle, behaupten diese Leute ohne mit der Wimper zu zucken, sie täten doch nur, was alle tun.
Darüber freue ich mich. Das macht nämlich die Beweisaufnahme vor Gericht einfacher. Da kenne ich
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