Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
Bereich. Ein kurzes, eilig beruhigtes Bellen. Die Tür öffnete sich und schloss sich dann wieder.
Schließlich hörte man noch, wie behutsam der schwere Eisenriegel vorgeschoben wurde.
Gabriella erschien wieder. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab, kletterte leichtfüßig auf den Wagen und streckte sich wieder auf der Pferdedecke aus.
Sandrine schaute verwirrt auf sie hinunter. Selbst wenn sie Italienisch gekonnt hätte, wäre es ihr unmöglich gewesen, das auszudrü-
cken, was sie empfand. Wie hätte sie, ohne verwirrt dabei zu stam-meln, ihre Dankbarkeit ausdrücken sollen? Ihr gleichzeitig gestehen, dass sie, ganz aufgeregt, kaum glauben könne, was da eben mit dem Jungen abgelaufen war? »Und man möchte fast glauben, dass es sie ganz gleichgültig lässt!«, dachte sie aufgeschreckt.
»Grazie!«, sagte sie schließlich nur, und: »Du okay?«
War das wirklich alles, was ihr dazu einfiel? Aber Gabriella schien ihr das nicht übel zu nehmen. Mit funkelnden Augen verzog sie lediglich das Gesicht in Nachahmung der angewiderten Schnute, die Sandrine gezogen hatte, nachdem sie von diesem Loukoum gekostet hatte.
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21. KAPITEL
as Haus in der Avenue Bosquet – der ausgeleierte Aufzug, das Ddunkle Treppenhaus mit dem farbig verglasten Fenster zum Hinterhof hinaus. Laurence kannte es nun gut genug, aber dennoch hatte sie jetzt, als die Türklingel wie in weiter Ferne widerhallte, wie jedes Mal den Eindruck einer schier endlosen Folge kalter Räume und verlassener Flure. Das junge Mädchen, das ihr öffnete, sprudelte sofort heraus, dass sie aus Algerien stamme, dass ihre Mutter und ihre beiden kleinen Brüder von Fundamentalisten niedergemetzelt worden seien und dass Antoine Becker ein wahrer Wohltäter der Menschheit sei.
Im großen Salon erhob sich die Hausherrin und packte die ›wiedergefundene Freundin‹ an den Schultern. Sie hielt sie auf Armlän-ge von sich und schaute sie mit betontem Augenzwinkern an, wie um ihr sagen zu wollen: »Na, wir beide sitzen doch im selben Boot!
Vergessen wir die ›Missverständnisse‹! Wir müssen doch solidarisch sein!« Dann drückte sie sie heftig an sich. Sie war groß in Form, mit entschlossenem Mund und strahlender Haut, und ihre neue, kurze Sturmfrisur entsprach ganz der allerneuesten Mode.
Laurence sah keinen rechten Grund für einen so überschwänglichen Empfang, aber sie nahm an, dass auch Catherine selbst sich 387
mit einer genaueren Begründung schwer getan hätte. Es war einfach ihre Art, so wie sie auch ohne konkreten Anlass Leuten aus ihrer Umgebung bewegt die Hände drückte mit der gemurmelten Aufforderung: »Nur nicht nachgeben!« (Worauf sich das beziehen könnte, durfte der oder die so Angesprochene selbst frei entscheiden.) Antoine tauchte aus einem kleinen Nebenraum auf, der ihm als Büro diente. Er schloss sorgfältig die Tür hinter sich (gewöhnlich pflegte er sie offen stehen zu lassen) und trat heran, um Laurence zu umarmen. Er spielte den Unbekümmerten und bedeutete seiner Gattin mit einer theatralischen Geste, sie möge sich entfernen.
»Ich weiß, ich weiß!«, sagte Catherine und schickte sich an, ge-horsam seiner Weisung zu folgen. »Also gut, ich lasse euch mit euren Staatsgeheimnissen allein. Aber vergiss nicht, Schatz, dass La-vandier 13 Uhr gesagt hat! Und der Herr Minister mag es gar nicht, wenn man zu spät kommt!«
Beim Hinausrauschen bremste sie kurz und wie zögernd ab und warf einen Blick über die Schulter zurück. Laurence glaubte darin eine Warnung zu erkennen – sie musste auf der Hut sein. Und seit wann sprach sich das Ehepaar Becker mit ›Schatz‹ an?
»Schönen Dank für Ihren Anruf«, sagte Antoine Becker und bot Laurence einen Sessel an. »Ich hätte sie sonst heute Nachmittag meinerseits angerufen. Monique hat mir von Ihrem Scheck berichtet, aber ich muss gestehen, dass ich das nicht recht begreife …«
»So schwierig ist das nicht. Ich möchte gerne weiterhin zur Mannschaft von HMI gehören, aber ohne Bezahlung …«
»Aber hören Sie, so geht das doch nicht…«
»Nun gut, dann zahlen Sie mir eben ein symbolisches Gehalt von einem Franc jährlich!«
»Darum geht es doch gar nicht. Ich möchte wissen, was dahinter steckt.«
»Die Diskussion darüber würde ich lieber auf einen günstigeren Zeitpunkt verschieben. Sie werden bald zu Ihrer Verabredung er-388
wartet…«
»Also gut! Aber warum sagten Sie, Sie müssten mich ›äußerst dringend‹ sprechen?«
»Aus einem Grund, der mit
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