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Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt

Titel: Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fuenfte Offenbarung
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zum Verzicht auf einen Eigen-namen getrieben. Sie ließen sich nur noch aufgrund äußerer Unterschiede in ihrem Aussehen anreden.
    Besucher, die nur einen kürzeren Aufenthalt im Heiligtum vor-142

    hatten, wurden ›Zeugen‹ genannt. Von diesen hatte man Laurence etwa dreißig genannt. Größtenteils waren das junge Leute zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren, denen von der Universellen Vereinigungskirche die Teilnahme an einem Seminar über Planetarische Bewusstwerdung bezahlt wurde. Sie hörten Vorträge und beteiligten sich an ›Workshops zur Glaubensvertiefung und Verinnerlichung‹.
    Zudem waren sie in alle Aktivitäten der Gemeinschaft eingebunden.
    Laurence hatte bei ihrer Ankunft in Malta befürchtet, dass sie hier in eine Sekte eingeführt würde, die einer billigen, plumpen Esoterik huldige, oder bei der leichtgläubige Seelen von cleveren Händlern abgezockt würden. Was sie heute erlebt hatte, bestätigte derartige Befürchtungen indessen keineswegs. Was die Lehre dieses Miguel D'Altamiranda betraf, so durfte sie sich noch kein Urteil anmaßen. Sicher, dem Weg dieser Mirandisten gegenüber fühlte sie sich noch fremd, doch empfand sie darüber bereits ein gewisses Bedauern. Konnte sie überhaupt jemals wieder sich mit Leib und Seele einem Ideal hingeben?
    Der flimmernde Sternenhimmel über ihr konnte ihr keine Antwort geben. Immerhin aber fand sie, dass die Ereignisse der letzten Stunden jedenfalls jenen Stellenwert hatten, der ihnen im Vergänglichen und Unbedeutenden zukam.
    Ein Kratzen an der Tür riss sie aus dem Halbschlaf. Als sie öffnete, stand draußen Dora Frascatti, die ins Zimmer schlüpfte, ohne auf eine Einladung dazu zu warten.
    »Gabriella braucht Ihre Hilfe!«, murmelte sie außer Atem. »Sie haben das schon erraten, nicht wahr?«
    Im Halbdunkel ließ sich ihr Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber das war für Laurence auch nicht erforderlich, um davon überzeugt zu sein, dass der Anlass dieses Besuches schwer wiegend war.
    Sie fragte daher leise:
    »Was erraten?«
    »Nun, dass die Kleine in Gefahr ist!«
    143

    »Hier?«
    »Aber nein, dort draußen, bei uns! Ich bin übrigens nicht ihre Mutter, sondern nur die Tante.«
    Sie verschmähte den Hocker, den Laurence unter dem Tisch her-vorgezogen hatte, und lehnte sich gegen die Tür, so, als ob sie verhindern wolle, dass jemand unversehens hereinkam. Ohne weitere Aufforderung sprudelte sie hervor, dass Guido, Gabriellas Vater, ein Nichtsnutz schlimmster Sorte sei, der beschützt werde von Leuten, die einen langen Arm hätten, und dass Gabriella sofort nach ihrer ersten Regelblutung verkauft worden sei an eine gewisse Signora Sissa, die ein Bordell betreibe, und bei der sie am Ende des Schuljahrs ihre ›Ausbildung‹ antreten solle.
    »Gina, das ist meine Schwester, kann nichts dagegen unternehmen wegen ihrer anderen Kinder. Zwei Buben, die riskieren nichts, Sie verstehen schon. Sie hat mich angefleht, Gabriella mitzuneh-men, trotz der Gefahr für sie selbst… und für uns natürlich auch!«
    »Sie kann nichts unternehmen, tatsächlich? Und die Polizei?«
    »Das ist doch wohl ein Scherz! Guido ist schließlich der Vater …
    mit seiner Tochter macht der, was er will. Und die Carabinieri, die sind doch selbst bevorzugte Kunden der Signora Sissa. Die reserviert für sie die Jüngsten, die … wie sagt man doch für das erste Mal? Nun ja, die das eben noch nie gemacht haben. Und dazu dürfen die Carabinieri sie dann zwingen!«
    Dora fügte hinzu, dass sie schon seit drei Jahren eine glühende Anhängerin der Universellen Vereinigungskirche sei und dass der Kirchenobere von Neapel als ihr geistlicher Berater für sie eine Pri-vataudienz beim Höchsten Führer erwirkt habe. Sie sei voller Hoffnung hierher gekommen, aber ein Vorgespräch beim Ersten Ratgeber D'Altamirandas habe sie mit Zweifel und Unruhe erfüllt.
    »Bitte! Ich brauche Ihre Hilfe! Sie sind doch bekannt mit ihm, wie ich gesehen habe. Auf Sie wird er hören!«
    »Wie, Jean-Louis? Ich wusste nicht, dass er solch eine hohe Stel-144

    lung hat. Was soll ich ihm denn sagen?«
    »Sie werden schon die richtigen Worte finden. Ich spüre Ihr Mitgefühl. Wir Frauen müssen uns doch gegenseitig helfen!«
    »Ich will sehen, was ich tun kann …«
    Dora umarmte sie heftig. Ihre Wangen waren nass, obwohl Laurence ihrer Stimme nicht hatte entnehmen können, dass sie weinte.
    »Gott schütze Sie!«
    Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, ein schmaler Streifen gelb-lichen Lichts fiel

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