Billy Elliot - I will dance
kleines Kind«, sagte sie. »Lass ihn machen, Jackie. Der kommt schon klar. Irgendwie muss er ja Dampf ablassen.«
Sie hat vier Kinder großgezogen, die Susan, also wird die es schon wissen, dachte ich. Vielleicht gehört das zu den Dingen, die Väter nicht erlauben, wo Mütter aber ein Auge zudrücken.
Eins muss ich ihm aber lassen, unserem Billy, er hat’s geschafft. Was immer das war, was er erreichen wollte, er hat’s hingekriegt. Ich kam gerade mit einer Flasche Milch vom Einkaufen zurück, und da sah ich ihn im Hof beim Üben. Ich blieb stehen und schaute zu. Kerzengerade, den Blick an die Mauer geheftet, die Arme raus – und schon drehte er sich zwei- oder dreimal, ich konnte es nicht zählen, weil es so schnell ging. Und dann kam er zum Stehen, auf einen Plotz, wie eine Tür, die zuschlägt. Rums.
»Ja!« Er war so aufgedreht, ich konnte gar nicht anders als lächeln. »Ja, ich hab’s geschafft, ich hab’s geschafft.« Er tanzte im Hof herum, stampfte und johlte. Ich habe noch nie ein so glückliches Kind gesehen. »Na, da hastes also geschafft!«, sagte ich, und er kippte beinahe aus den Latschen. Er hatte sich so konzentriert, dass er mich überhaupt nicht bemerkt hatte. »Oh Gott, Dad. Mann. Hast du mich erschreckt.«
»Ja. Also, du hast es geschafft, was?«
»Pass auf!« Und er versuchte es noch einmal, aber diesmal klappte es nicht, nicht mit mir als Zuschauer. Er landete sonst wo.
»Aber eben habe ich’s geschafft. Hast du es gesehen?«
»Hab ich. Ziemlich gute Nummer. Hast du das schon im Boxring ausprobiert?«
»Nein, noch nicht.«
»Willst du’s tun?«
»Sobald ich es jedes Mal richtig hinkriege.« Er hatte sich schon wieder aufgestellt.
»Also ist das was, was George dir beigebracht hat, Billy?«
»George? Nein. Hab ich mir selber ausgedacht.«
»Guck einer an. Und was hält George davon?« Billy schaute mich von der Seite an und grinste. »Ihm ist das egal. Er lässt mich einfach machen.«
»Recht so. Na, dann hast du ja am nächsten Sonnabend eine Überraschung für ihn.«
Jesus. Der arme George hätte einen Herzanfall gekriegt. Tja, ich habe mich nicht getraut, Billy zu fragen, wie es war, ich wusste, was passieren würde. Ein paarmal würde er damit durchkommen, aber dann würde jemand zuschlagen, während er hilflos herumkreiselte. Er drehte sich so schnell, dass sein Gegner nur den Handschuh rauszustrecken brauchte und Billy würde sich selber ausknocken.
Wie wenn du einem Fahrrad, das bergab fährt, einen Stock in den Reifen steckst.
Aber Billy schien das egal. Er war hin und weg. Er machte weiter. Als Nächstes war Springen dran. Er fing an, solche tuntigen Sprünge zu üben – richtig große Sprünge, doch, doch, große lange Sprünge, aber er hielt dabei die Hände über dem Kopf wie so ein scheiß Balletttänzer. Ich bin bald durchgedreht. Die Dreherei war schon schlimm genug, aber jetzt sah er aus wie ein Vollidiot. Und der Krach, den er beim Springen machte – das ging durchs ganze Haus. Krach, bumm, knall! Gott! »Gehört das auch zum Boxen?«, fragte ich ihn. »Ah ja.«
»Dann hast du die Drehung angewendet?«
»Ah ja.«
»Hat es geklappt?«
»Nicht so richtig.«
»Siehst du. Pass mal auf.« Ich beschloss, ihm zu helfen. Das würde ein böses Ende nehmen, wenn er so weitermachte. George hatte offenbar beschlossen, ihn alleine machen zu lassen. »Pass auf, mein Sohn, du musst immer die Hände hochhalten, immer, selbst wenn du springst. Du darfst die Deckung nicht vernachlässigen.« Ich schob seine Handschuhe in Höhe seines Kinns. »Spring mal so.«
»Das kann ich nicht, Dad, es kommt auf die Balance an, man muss die richtige Balance haben, guck.« Dann zeigte er mir, wie er die Arme halten musste, um richtig springen zu können. Er hatte alles genau durchdacht, ja, er hatte eine ganze scheiß Philosophie daraus gemacht, sich zum Max zu machen. Ich gab schließlich auf. Was soll’s? Vielleicht hat George Recht, vielleicht muss man ihn einfach machen lassen und darauf warten, dass sich irgendwann einmal gesunder Menschenverstand durch seinen dicken Kopf wühlen würde. Wenn Billy oft genug was auf die Schnauze kriegte, würde er vielleicht mal anfangen zurückzuschlagen. Allerdings würde ich nicht unbedingt darauf hoffen. Das einzige Problem sind die fünfzig Pence. Ich musste mir das Geld echt vom Mund absparen. Ich bezahlte dafür, dass er lernte, sich zu verteidigen, und nicht, dass er lernte, wie ein kleines Mädchen rumzuhüpfen, verdammt noch
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