Billy Elliot - I will dance
krank war, also mag es verständlich sein. Aber was ist mit dieser Halsverdreherei? Damit war er ewig zugange. Er wandte den Kopf und guckte hinter sich, wobei er den Hals so weit drehte wie möglich, immer und immer wieder. Er sagte, das ist bloß so eine Angewohnheit, aber was ist denn das für eine Angewohnheit? Das ist nicht so was wie in der Nase popeln oder an den Nägeln knabbern. Einmal habe ich Billy mit ins Kino genommen, und da hat er sich die ganze Zeit auf seinem Platz rumgedreht. Er wollte bloß die Halsmuskeln dehnen, aber die Frau hinter ihm wusste das nicht, die dachte, er starrt sie an. Das war vielleicht peinlich. Der Junge ist nicht zu bremsen. Der kann sich ja selber nicht im Zaum halten.
»Ihr Sohn glotzt mich an«, sagte die Frau. »Ah ja? Dabei habe ich gutes Geld für den Film bezahlt«, erwiderte ich.
Eine Weile war es Fußball, das war okay. Er ging raus auf die Straße und übte den Ball mit den Füßen über den Kopf zu befördern oder den Ball in der Luft zu halten oder so was eben. Auf dem Platz war er nie besonders gut, das nicht, aber zumindest war es eine gute und gesunde Beschäftigung, was ein Kind in dem Alter eben so tut.
Jetzt drehte er sich im Kreis herum. Zuerst leugnete er es, aber ich habe ihn immer wieder erwischt. In der Küche, im Flur, im Hof, in seinem Zimmer. Andauernd. Er starrte wie ein Idiot irgendwohin, streckte die Arme aus, dann wirbelte er herum und fiel hin, meistens jedenfalls. Ich habe ihn einmal Teemachen geschickt, und als er ewig nicht zurückkam, bin ich hinterher. Da stand er, starrte ins Leere und wollte gerade loslegen. »Billy«, sagte ich, da hob er schon ab und wirbelte herum, wobei er gleichzeitig versuchte, über seine Schulter zu gucken. Er krachte gegen den Tisch und alles flog herum – Milch verspritzte, der Zucker kippte um, Teebecher zerbrachen.
Tony kam aus dem Flur gerannt. »Was machst du da, Mann?«
»Ich übe eine Drehung. Fürs Boxen«, sagte er. »So was habe ich beim Boxen noch nie gesehen«, sagte ich.
Fürs Boxen! Das war bloß wieder so eine von seinen blöden Angewohnheiten, »Lass dir bloß nicht einfallen, so was noch mal zu machen«, warnte ich ihn. »Du machst uns das ganze Haus kaputt, verdammt noch mal!«
»Genau, und wer bezahlt die Teebecher und das? Du hast sie doch nicht mehr alle!«, tönte Tony. »Schon gut, Dad, schon gut.« Aber natürlich hat er nicht aufgehört. Kann er gar nicht, wenn er erst mal mit was angefangen hat. Er ist wie eins von diesen Karnickeln, die diese scheiß Krankheit haben oder so. Danach hat er das jedenfalls nur noch draußen gemacht. Er tat so, als würde er fürs Boxen trainieren, aber von wegen. Ich hab mich raus auf den Hof geschlichen und ihm zugeguckt. Er hat immer noch dasselbe gemacht. Die Arme zu einer Seite gebogen, dann hat er sie rumgeschleudert und ist auf der Stelle gekreiselt. Und guckte dabei wie ein Irrer ins Leere. Und dazu die Handschuhe – ja, er hatte die Handschuhe an. Er sah aus wie ein Irrer.
Manchmal macht er mir Angst, unser Billy. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Ich ging zu ihm und stellte ihn zur Rede. »Was machst du da, mein Sohn? Das sieht aus, als ob du einen Anfall hast.«
»Ich trainiere, Dad.«
»Von wegen. Was trainierst du denn? Den Arsch schwenken? Ist dir denn total egal, was die Leute denken?«
»Ist doch bloß ‘ne scheiß Drehung.«
»Na, dann hör auf damit. Jedenfalls hier draußen, wo die Leute dich sehen können.«
»Aber du hast gesagt, ich soll’s nicht im Haus machen.«
»Dann lass es einfach ganz und gar. Klar?« Danach habe ich es nicht mehr so oft gesehen, aber ich wusste, dass er es immer noch tat. Andauernd hörte ich ihn fallen. Er knallte im Flur auf den Boden, polterte in der Küche. Ich schrie mir die Kehle wund: »Hör auf mit dem Krach!« Einmal stürzte er im Bad. Es war Badezeit am Sonnabendabend, ein mordsmäßiges Platschen ertönte, ich lief nach oben, und da stand er, starrte sich selbst im Spiegel an, vollkommen angezogen, pitschnass und hatte die Arme schon ausgestreckt, um es noch einmal zu versuchen.
»Du machst das ja schon wieder!«, warf ich ihm vor. »Ich bin in die Wanne gefallen, weiter nichts«, sagte er. Ich sparte mir jeden Kommentar. Ich verdrehte bloß die Augen und ließ ihn stehen.
Ich machte mir Sorgen. Ich sprach mit Susan Harris aus unserer Straße, aber die meinte nur, ich sollte ihn einfach lassen.
»Der ist doch noch ein Junge, gerade mal zwölf, eigentlich noch ein
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