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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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wirklich«, sagte ich. »Manchen Leuten kann man's
einfach nicht recht machen.«
     
    Ich wartete, bis bei ihr das Licht ausging, und schlich
mich dann aus dem Haus, klopfte an Alice' Tür. Schnüffelnase öffnete fast
augenblicklich.
    »Al. Die Nachteule wieder auf Patrouille.«
    »'n Abend, Mrs  B. Carol ist nach Hause gekommen,
wussten Sie das?«
    »Nein. Das ist schön.«
    »Ja, nicht? Kommt extra den weiten Weg aus Australien, um
ihrem alten Herrn zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen.«
    »Sie muss todmüde sein. So ein Flug ist anstrengend.«
    »Da sagen Sie was. Aber ob Sie's glauben oder nicht, sie
hat Lust auf eine Partie Scrabble. Kommt wahrscheinlich von der
Zeitverschiebung. Sie weiß noch nicht, ob wir Morgen oder Abend haben.«
    »Ach, Al, mir steht eigentlich nicht der Sinn nach einem
späten Spieleabend. Ich bin nicht mehr die Jüngste.«
    »Doch nicht Sie, Mrs B. Nur Carol und ich. Das Problem
ist, wir haben kein Wörterbuch, und sie will streng nach den Regeln spielen.
Hätten Sie vielleicht eins? So ein Taschenwörterbuch würde reichen.«
    Sie ging nach oben, kam gut drei Minuten später wieder
runter. Es war ein anderes als das von Robin, aber besser als nichts.
    »Ich räume Ihnen noch das ganze Haus aus, Alice«, sagte
ich. »Wenn das so weitergeht, haben Sie bald nichts mehr.«
    »Es sind bloß materielle Dinge, Al. Der Mond bleibt der
Mond, egal, was man besitzt.«
    Ich ging zurück, versteckte Alice Blackstocks Wörterbuch
da, wo Robins gewesen war, legte Robins zu dem Scrabble-Set in den Holzofen,
schenkte mir drei Finger breit Whisky ein, saß dann im Dunkeln und schaute nach
draußen. Die Sterne funkelten hell. Ich hatte im Gefängnis über sie
nachgedacht, die Sterne, hatte mir eine Nacht wie diese vorgestellt, mit dem
Mond hoch am Himmel und der warmen Sommerdunkelheit und mit mir irgendwo in der
Mitte, wie ich versuchte, mir auf alles einen Reim zu machen. Bei Michaela
brannte noch Licht. Wäre Carol nicht da gewesen, wäre ich über die Mauer
gesprungen, hätte es probiert, mir alles von ihr geholt, was ich hätte kriegen
können, Informationen, Sex, vielleicht sogar einen Bissen blutiges Steak. Ich
kam langsam wieder auf den Geschmack, Postkarte hin oder her.
    Das Licht bei ihr ging aus. All die Muskelkraft und Hinterlist
waren ins Bett gegangen, bereit, ihre Träume zu träumen. Irgendwo da draußen
lag auch Audrey in ihrem Bett, träumte ihre Träume. Carol, Alice, die kleine
Mary Travers, da waren sie alle, im Dunkeln wirbelnde Köpfe. Nur die Nymphe und
ich waren wach, die Nymphe und ich und Mini Ha Ha, die sich ruhelos in ihrem
Teich bewegte. Wenn die Sache über die Bühne gehen sollte, dann bald. Ein
solcher Plan ging schnell an den Nähten auseinander, wenn man zu lange wartete,
vor allem, wenn er mit der ein oder anderen Lüge zusammengenäht worden war. Das
war in Ordnung. Mit Lügen kam ich klar, selbst mit solchen, bei denen Audrey
ihre holde Hand im Spiel hatte. Ich fand es sogar beruhigend, ihre Handschrift
zu erkennen. Genau wie in alten Zeiten.
    Eine Eule rief. Eine andere antwortete. Bei Michaela ging
das Licht wieder an, dann eine Minute später wieder aus. Hatte sie auf die Uhr
gesehen, nach einem Glas Wasser gegriffen, eine SMS von Nelson gelesen?
Demnächst würde ich es sein, der ihren Schönheitsschlaf störte. Ich trank mein
Glas leer und ging ins Bett.
     
    Ich wurde wach, weil jemand an mir rüttelte. Einen Moment
lang dachte ich, es wäre mein Zellengenosse Victor, der sich diesmal an der
armen Torvill vergreifen wollte. »Wo ist es?«, rief er, »wo ist es?«
    Ich schlug um mich, schlang eine Hand um seinen Kopf, aber
es stimmte alles nicht, der Geruch und das volle Haar. Ich stieß ihn weg, und
dann gewöhnten meine Augen sich an das Licht, das durch die Tür hereinfiel.
»Carol?«
    Sie stand vor mir, das Haar völlig zerzaust, und alles
hing halb aus ihrem Nachthemd. Ich blickte nach unten. Ihr rechtes Bein steckte
in einem gestreiften Strumpf.
    »Wo ist es?« Ihre Augen waren aus den Höhlen getreten, ihr
Gesicht eine Fratze.
    »Wo ist was, Schätzchen? Hier ist alles beim Alten.«
    »Das kleine Wörterbuch!«
    »Wovon redest du?« Menschenskind, lange hatte sie nicht
gebraucht.
    »Komm mir bloß nicht so! Ich hab eben davon geträumt. Wir
wollten eine Partie spielen, und wir haben uns gestritten, welcher Buchstabe
zuerst kommt, O oder S, und du hast das Wörterbuch hervorgeholt. Du hast es in
den Händen gehalten, mit einem breiten Lächeln im

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