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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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zwirbelte die Fransen ihres Schultertuchs
um die knochigen Finger. Wir brausten dahin, den Hügel hoch und am Stützpunkt
vorbei, wo der Centurion-Panzer auf seinem Sockel stand wie eine zerquetschte
Wanze. Dad war 1950 sechs Monate hier stationiert gewesen. Da waren er und Mum
sich zum ersten Mal begegnet, genau hier auf dieser Straße, als er mit seinen
Kumpels aus der Kneipe den Hügel hoch- und sie von ihrer Arbeit auf der Farm
den Hügel runterkam. Ich hab oft darüber nachgedacht, wo das wohl war, an
welcher Stelle genau der Scheißkerl alles angefangen hat. Und ich bin das
Resultat, ein Teil von ihm, der Teil, der ich am liebsten nicht wäre.
    »Die sollten es wieder mit Gas machen, find ich«, verkündete
sie.
    »Was?«
    »Als ich jung war, kriegten wir Gas, Lachgas nannten die
das. Man kriegte eine Maske übergestülpt, und schwups war man weg, schwebte
zwanzig Minuten lang auf Wolke neun. Herrlich. Jetzt stecken sie dir eine Nadel
in den Mund.« Sie schauderte. »The needle and the
damage done.«
    »Wie bitte?«
    »Sie sind zu jung«, sagte sie. »Wie spät ist es jetzt?«
    Ich sah auf das Display. Im Vanden Pias ist es hübsch und
deutlich. Es weckte in mir immer den Wunsch, einmal auf dem Festland zu fahren,
im alten Stil, mit einer Karte auf dem Knie und einem Fresskorb auf dem
Rücksitz und einer hübschen jungen Frau in einem geblümten Kleid neben mir,
ohne zu wissen, wohin, aber es würde auf jeden Fall schön werden, keine Frage.
Als ich ein Teenager war, vierzehn, fünfzehn, hatten meine Mum und ich Pläne,
sie würde ein kleines Auto kaufen, einen alten Morris Traveller oder so, und
wir würden zusammen eine Tour durch England und Schottland und Wales machen,
ich am Steuer und sie neben mir, sicher und nah, ein strahlendes Lächeln im
Gesicht. Sie hatte nämlich keinen Führerschein, und ich wusste, ich würde ihn
beim ersten Anlauf bestehen. Aber so kam es nicht. Sie hatte nicht das nötige
Geld, und als ich alt genug war, hatte ich keine Lust auf Fahrstunden. Ich
hatte eigentlich auf gar nichts Lust, wenn ich ehrlich bin. Ich borgte mir
einfach Autos aus, je nach Laune, und fuhr durch die Gegend. Wurde auch nie
geschnappt. Nicht ein einziges Mal. Ein Jammer eigentlich, dass wir die Tour
nie gemacht haben. Aber es kommt ja eigentlich nie, wie man es gern hätte.
    »Zwölf durch.«
    »Anhalten.«
    Wir kamen am Red Lion vorbei. Ich war nicht oft da. Der
Pub lag außerhalb, und außerdem tranken die Newdicks da. Eine Hüpfburg hinten
im Garten und vorne flotte Kellnerinnen, eine von diesen
Schiefertafelspeisekarten, die einem weismachen wollen, dass sie jeden Tag neu
geschrieben werden, und einer von diesen flachen Plasmafernsehern, damit sie
montags, dienstags, mittwochs, donnerstags und freitags Fußball zeigen können
und, wenn du Glück hast, auch noch am Samstag und Sonntag. Anders gesagt, ein
Scheißpub. Alice marschierte zur Bar und knallte ihre kleine Lederhandtasche
auf den Tresen.
    »Einen doppelten Absolut«, befahl sie. »Pur. Ohne Eis.«
    Das ging ihr ziemlich glatt über die Lippen. »Ist das
ratsam, Mrs Blackstock? So kurz vor einer Betäubung?«
    »Je weniger man mitbekommt, desto besser«, sagte sie. »Wie
wenn man zum ersten Mal...« Sie gab einen langen bekümmerten Atemstoß von
sich. Es ging ihr nicht gut. Der Barmann sah mich an. Ich zuckte die Achseln.
    »Für mich nur ein Tonic.«
    Wir setzten uns an einen Tisch nicht weit vom offenen
Fenster. Ihre Hände zitterten. Sie sah so kalt und klamm aus wie ein Torweg.
    »Ich bin seit vier wach«, sagte sie, »und denke dran.«
    »Vielleicht sollten Sie absagen.«
    »Ich will nicht drüber reden.« Sie riss ein Tischset in
zwei Hälften und legte sie dann nebeneinander. Sie holte tief Luft, blickte auf
und machte ein unnatürlich heiteres Gesicht. »Sagen Sie, wie geht's Ihren
Fischen? Irgendwann schleich ich mich im Schutz der Dunkelheit in Ihren Garten
und befreie sie. Wie wir Methusalem befreit haben.«
    »Das trau ich Ihnen glatt zu. Aber setzen Sie sie bloß
nicht im Meer aus. Bei der Temperatur würden die beiden keine zwei Minuten
überleben. Außerdem weiß ich, an wen ich mich wenden kann, wer Sie bis ans Ende
der Welt verfolgen wird. Ihr Mr Rump. Wussten Sie, dass der auch Karpfenliebhaber
ist? Hat eine schöne Sammlung, wie er sagt.«
    »Überrascht mich nicht. Als Junge war er verrückt nach Goldfischen.
Trug einen mit sich herum, in einem Frischhaltebeutel im Tornister. Er war als
Schüler ein harter Brocken.«
    »Haben

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