Biodiversität: Unsere wertvollste Ressource
züchten. Die wachsendenRestriktionen für die Fischerei tragen dabei der Tatsache Rechnung, dass die Flächen und der Besatz der Muschelbänke seit den 1980er-Jahren kontinuierlich abgenommen haben. Zunächst wurde als Ursache allein die zu intensive Fischerei verdächtigt. Weitere Untersuchungen legen aber die Vermutung nahe, dass auch andere Faktoren eine Rolle spielen, etwa die kontinuierliche Erwärmung der Nordsee durch den Klimawandel, die in sehr warmen Wintern dazu führt, dass sich der Nachwuchs bei den Muscheln nur geringfügig einstellt oder er gar ganz ausfällt.
So weit ähnelt die Geschichte der Miesmuschel der des Aals. Beide werden vom Menschen intensiv genutzt, und dem Menschen fällt vor allem durch das Abfischen der Jungtiere und deren Aufzucht, ob nun durch die geschützte Aufzucht der Muscheln im Wattenmeer oder durch den Besatz von Teichen, Seen und Flüssen im Inland mit Jungaalen, eine zentrale Rolle zu, die Bestände der Tiere zu erhalten. Bei der Miesmuschel kommt aber nun ein Neubürger ins Spiel, kein Parasit diesmal, sondern eine andere Muschel.
Denkt man an Muscheln als Nahrungsmittel, wird den meisten von uns zunächst vielleicht weniger die Miesmuschel, sondern vielmehr die Jakobsmuschel, mehr aber noch die Auster einfallen. Die Austern, die heute größtenteils in Europa gegessen werden, sind aber nicht europäischen Ursprungs, sondern stammen aus dem Pazifik, denn die Pazifische Felsenauster (Crassostrea gigas) wächst deutlich schneller als ihr europäisches Pendant, die Europäische Auster (Ostrea edulis) . Die Entwicklung der Weltproduktion an Pazifischen Austern ist enorm. Waren es 1960 noch etwa 210 000 Tonnen jährlich, so ist die Produktion vor allem in den 1990er-Jahren auf fast 800 000 Tonnen angestiegen. Austern sind damit von einem Luxusgut fast zu einem allgemeinen Nahrungsmittel geworden.
Aufgrund der Beliebtheit und der Robustheit der Pazifischen Auster war es nur konsequent, dass in den 1970er-Jahren niederländischeMuschelfarmer begannen, die Pazifische Auster auch in ihren Kulturen anzusiedeln, Gleiches galt für Dänemark. Da die Auster warme Temperaturen, vor allem im Winter, gewohnt war, ging man davon aus, dass sie sich nicht bis ins Wattenmeer hinein ausbreiten könne.
Wie so häufig bei solchen Einschätzungen kam es anders, und die Pazifische Auster schaffte es, sich außerhalb der Aquakulturen zu etablieren. 1998 wurde sie in der westlichen Nordsee bei Borkum erstmals in deutschen Gewässern entdeckt. Seitdem hat sie sich massiv über das Wattenmeer verbreitet. Als Felsenbewohner, wie ihr Name schon sagt, bevorzugt sie zur Ansiedlung festen Untergrund – und der ist in den Watten der Nordsee eher selten, außer auf den etablierten Miesmuschelbänken und an Hafenanlagen. So wurde schnell beobachtet, dass sich die Austern massiv auf den Miesmuschelbänken ausbreiteten und die Miesmuscheln zu verdrängen drohten. Denn die Austern wachsen anders. Sie sind nicht, wie die Miesmuscheln, mit Klebefäden, den sogenannten Byssusfäden, miteinander verbunden. Sie wachsen vielmehr, sind sie einmal angesiedelt, mit ihren Schalen zusammen und bilden dann große, unregelmäßige und an den Kanten sehr scharfe Kolonien. Daher wurde befürchtet, dass die Einwanderung der Auster die Miesmuschel endgültig aus der Nordsee verdrängen könnte. Laut einem Bericht des Wattenmeer-Sekretariats sank die Biomasse der Miesmuscheln im niedersächsischen Wattenmeer von immerhin noch 100 000 Tonnen im Jahr 1999 auf nur noch 20 000 Tonnen im Jahr 2007. Die Masse der Austern nahm dagegen von quasi null im Jahr 1999 auf über 70 000 Tonnen im Jahr 2007 zu. Ebenso hat sich die Fläche der Miesmuschel-Bänke von 3000 auf nur noch 1000 Hektar verkleinert. In den 1950er- bis 1980er-Jahren waren es stets um die 5000 Hektar gewesen. Die Verlustquoten in Schleswig-Holstein sehen ähnlich aus.
Aktuelle Untersuchungen zeigen aber, dass sich die Miesmuscheln auch in den nun von der Auster dominierten Bänken haltenkönnen. Denn letztendlich ist die Art und Weise, wie beide Muscheln ihre Bestände aufbauen, sehr unterschiedlich. Die Austern wachsen zusammen und werden immobil. So kommt es häufiger vor, dass in kalten Wintern gerade die oberen Schichten in den Bänken absterben, denn so gut an kalte Bedingungen angepasst ist die Auster dann doch wieder nicht. Auch bilden die zusammengewucherten Austernbänke genug Nischen für die Miesmuschel mit ihrer mobilen Art der Befestigung. Als
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