Bis ans Ende der Welt
alle schon abgeerntet, kahlgelb, fast silbern, heute ausnahmsweise mit einem tiefblauen Himmel darüber. Mancher Ausblick geriet nur zweifarbig – blau und silbern – und sonst nichts. Das mochte ich, glaubte sogar einen Silberrand am Himmel ausgemacht zu haben. Keinen Goldrand wie in Aubrac, aber immerhin einen Silberrand. Später einmal sah ich auch Bilder, die im Frühling gemacht wurden. Auch nur zweifarbig, doch anstelle des Silbers stand ein giftiges Grün. Auch nicht schlecht.
In diese Betrachtung vertieft, achtete ich kaum auf den Weg, als ein großer struppiger Hund mir den Weitergang versperrte. In Frankreich dösten die Hunde mehrheitlich faul in der Sonne vor der Haustreppe. Hier in Spanien liefen sie nun überall geschäftig neugierig herum. Im Gegenteil zu den Bauern, die man nur im Schatten sitzen oder in Grüppchen plaudern sah. Sie störten sich nicht an den streunenden Kötern, ignorierten sie einfach. Auch sei gesagt, daß ein spanischer Bauer nie ohne Stock aus dem Haus geht und keinerlei Skrupel hat, ihn auch zu benützen. Das wissen die Hunde nur zu gut und gehen den Bauern aus dem Weg. Vor den mit Skrupeln beladenen Pilgern haben sie nicht viel Respekt. Und dieser da hatte offenbar die Absicht, mich einzuschüchtern. Es war ein großes, kräftiges Tier, reichte mir gut bis zur Hüfte und wog bestimmt die Hälfte meines Körpergewichts. Er nahm eine strategisch günstige Position in der Wegmitte ein, so daß man ihn nicht einfach achtlos passieren konnte. Dort stand er nun völlig unbeweglich und wartete darauf, was ich so tun würde. Da wartete er aber umsonst. Nach so vielen Kilometern und genauso vielen Hunden, die mir unterwegs begegneten, wurde ich geradezu zum Hundebändiger. Ein Schnalzen mit der Zunge machte die Kläffer hinter dem Gartenzaun stumm, ein Wink mit dem Pilgerstab ließ Wadenbeißer an der gezeigten Stelle wie verzaubert erstarren. Man konnte sie dort zappeln lassen oder auch aus dem Bann entlassen. In der letzten Zeit gingen mir Hunde gleich aus dem Weg. Die ganz faulen darunter drehten sich einfach um und täuschten vor, mich nicht zu sehen. Ein Hund der sich bei Annäherung diskret umdreht und in die Wand starrt, ist irgendwie ein komischer Anblick. Dieses zottige Untier war allerdings weder diskret noch komisch. Aber ich war nicht in der Geberlaune. Das Dasein als Pilger war auch ohne streunende Hunde kein Honigschlecken. Er hatte zu weichen, und das tat er. Nachdem ich nähergekommen war, und er merkte, daß seine Taktik nichts bringt, drehte er sich einfach um, tat harmlos und trottete in einigen Metern Entfernung vor mir her, als ob er von nun an zu mir gehören möchte. Und er hielt es über etliche Kilometer täuschend echt aus, so daß mich unterwegs ordnungsliebende Preußen mahnten, „meinen Monsterköter“ doch an die Leine zu nehmen und andere nicht zu erschrecken. Recht hatten sie. Standen sie herum und konnten uns kommen sehen, lief er gezielt auf sie zu, baute sich in anderthalb Metern Entfernung vor ihnen auf und stierte sie ohne auch nur ein Haar zu rühren an. Das konnte er eine ganze Weile durchhalten. Zur Einschüchterung reichte es meist völlig aus. Er starrte sie einfach nieder. Dabei schien er genau zu wissen, was er tat. Er konnte jedoch noch andere Register ziehen, um auf seine Kosten zu kommen. Wenn wir etwa andere Pilger einholten, pirschte er sich an sie von hinten heran. Um nicht vorzeitig entdeckt zu werden, versteckte er seinen Schatten in dem meinigen, bis er sich in sicherer Greif- und Bißweite positionierte. Noch wartete er ein wenig, bis er sich ganz sicher sein konnte, daß das Opfer ganz arglos ist. Dann schlug er zu und leckte mit einem einzigen langen Zug dem völlig ahnungslosen Pilger lüstern die nach hinten gekehrte Handfläche ab. Die Wirkung war freilich enorm. Manche sprangen gleich einen Meter hoch in die Luft, während der Hund alle Anzeichen guter Laune zeigte. Kein Wunder, wenn man mich beschimpfte, zumal ich bald keine Reue mehr heucheln konnte und mich am liebsten vor Lachen mit dem Hund im Staub gewälzt hätte. Der Kerl begleitete mich bis zu einem Rastplatz, wo ich das Mittagslager aufschlug, war aber offenbar enttäuscht, weil es bei mir nicht viel zu teilen gab. Auf das kleine Stück alten Brotes und zwei Bissen billigen Käse war er nicht scharf, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Großzügig überließ er beides einer wildernden Katze, die so heruntergekommen war, daß sie sogar das Brot fraß. Bald
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