Bis ans Ende der Welt (German Edition)
kleine Ortschaft nur zwei Kilometer weiter. Sie präsentierte sich noch gefälliger und urbaner als Pamplona zuvor. Überall polierter Granit, Wasserspender aus Bronze und alles so penibel sauber und g e pflegt, daß die sprichwörtliche deutsche Ordnung daneben wie ein Zigeunerlager aussah. Es war noch Siesta und alles stand leer und wie frisch gebaut und noch nicht bezogen. Einen so schmucken Ort in Mitteleuropa zu finden, dürfte schwerfallen, und ich war entsprechend beeindruckt. Was vor zwanzig Jahren noch ein dreckiges, verfallenes Loch sein mochte, sah heute aus wie aus einem Werbprospekt. Das traute ich den Spaniern irgendwie gar nicht zu. Auch die Herberge war entsprechend modern und attraktiv, mit einem schönen Garten und allen Annehmlichkeiten. Sogar eine perfekt eingerichtete, funktionierende Küche gab es. Nach der Toilette machten wir uns deshalb sofort auf den Weg, um Lebensmittel zu besorgen, und dann aufs Kochen. Die Art eben, wie Franz o sen miteinander umgehen. Anschließend konnte ich im Garten am Tagebuch schreiben und Leute beobachten. Dabei döste ich immer wieder mit den Hunden ein und holte etwas von dem versäumten Schlaf nach. Doch wie sich die He r berge immer mehr füllte, wurde sie entsprechend lauter. Vor allem eine südlä n dische Frau redete ohne eine Minute Unterbrechung mit ihren zwei Begleiteri n nen zugleich auf Italienisch und Spanisch. Auch die italienische Pfadfindergru p pe traf bald ein und trug viel zum Lärmpegel bei. Da war nichts zu machen, als ins Café zu gehen und dort dem französisch-spanischen Paar Gesellschaft zu le i sten. Bald tauchte auch Philippe auf. Hier auf der Straße vor dem Café war es wunderbar still, es gab keine Autos, keine Passanten, niemand lärmte und schrie. Wir kehrten nicht eher in die Herberge zurück, bis es dunkel wurde, und alle Schreihälse bereits schliefen. Was natürlich nicht bedeuten sollte, daß sie es le i se taten. Wie die Nacht zuvor wachte ich bald wieder durch das impertinente Schnarrchen auf. Es war hoffnungslos, also ging ich hinaus, um mit dem Herrn zu reden. Er hat sich seit zwei Tagen nicht blicken lassen, Kirchen waren in di e sem katholischen Spanien sowieso alle zugesperrt. Es war eine warme, sternkl a re Nacht, zu diesem Zweck wie geschaffen. Tief im Garten konnte ich durch die offenen Fenster das wütende Schnarchen noch immer gut hören. Auch die U n ruhe, die das Geräusch unter den anderen Schlafenden verursachte. Ständig stand jemand auf und machte sich auf den Weg zur Toilette. Als meine Zeit draußen um war, kehrte ich ins Zimmer zurück und fand den Schnarcher. J a wohl, es war einer der italienischen Pfadfinder, wie ich vermutet habe. Der Kerl schnarchte und schnaubte völlig unbekümmert. Wären Bären in der Gegend, w ä ren sie gewiß vor Angst weggelaufen. Ich schubste ihn bißchen an, doch er schnarchte nur noch lauter. Ihn in den Garten hinauszutragen, wäre ein guter Streich. Ich sah ihn an und wußte, heute werde ich wieder nicht schlafen. Und auch nicht morgen und übermorgen, sollte der Zufall uns wieder in einer He r berge zusammenführen. Wie konnte jemand scheinbar völlig legitim seine U m gebung derart terrorisieren? Es war zum Verzweifeln. Kurz entschlossen, packte ich ihn an der Nase und hielt zu. Da gab er immer noch nicht auf, setzte einfach das Atmen aus, und wartete auf die nächste Runde. Aber ich saß am längeren Hebel. Schließlich kam er mühsam zu sich, rollte wütend die Augen und stierte orientierungslos durch die Nacht. Mangels besseren Italienisch grunzte ich ihn wie ein Trüffel suchender Eber an und war schon wieder im meinem Bett ve r schwunden. Der Plan war, so schnell einzuschlafen, bevor er mich durch erne u tes Schnarrchen daran hindern konnte. So etwas gelingt nicht immer, da Schna r cher verteufelt schnell ihr verderbliches Tun wiederaufnehmen können, aber ich hatte Glück. Es wurde nämlich die ganze italienische Equipe wie durch einen tierischen Instinkt nach und nach wach, stand auf und zog in den Garten, um zu rauchen und das Rätsel zu besprechen. Diese Frist reichte mir. Ich schlief ein und wie ein Baby die ganze Nacht hindurch, ohne noch einmal aufzuwachen.
Ciraqui, km 2141
Es war herrlich, am nächsten Morgen ausgeschlafen und voller Kraft aufzust e hen. Die Sonne schien, und die Vögel zwitscherten. Mit dem schlechten Wetter war nun endgültig Schluß. Auch die anderen Pilger machten einen erholten, fröhlichen Eindruck. Nur die italienischen Pfadfinder
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