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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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nicht, als gar keine Freundinnen kamen. Sich ein Maulkorb auferlegen zu lassen, das gab es nicht. Wohl nicht einmal, wenn es vom Apostel persönlich käme.
    Es war vielleicht nicht der beste, der erhabenste Gottesdienst, an dem ich in meinem Leben je teilnahm. Dafür sorgten die überall herumstehenden, eifrig f o tografierenden, herumlaufenden Menschen und die drei feindlich gesinnten A l ten neben mir. Aber für mich war er erhaben genug. Nicht zuletzt deshalb, weil er in einem herrlichen, feinen Spanisch vorgetragen wurde. Nur zweimal, in Roncesvalles , am Anfang des Camino Francés, und hier, an seinem Ende, hörte ich die frohe Botschaft so klar und erhaben. Dazwischen lag ein Kauderwelsch, wie man es in Lateinamerika zu hören bekommt - undeutlich, verschwommen, mit verfärbten Lauten und diffuser Worttrennung. Das reinste Castellano , das Spanisch klar wie Stahl klingen läßt, schien kaum jemand mehr zu sprechen. Doch hier brachte ein Bischof das Wort Gottes im Festkleid unter die Gemeinde, und ich verstand jedes Wort, auch als man die Pilger ausrief, wie es die Tradit i on verlangt, nun aber wegen der Riesenmenge nicht mehr namentlich, sondern nur gruppenweise, darunter auch die hundertfünfzig Buspilger aus Polen, die da dicht beisammen in den ersten Reihen saßen und vor Stolz schwollen.
    Natürlich war ich neugierig auf den Weihrauchkübel, wie er hurtig durch die Kirche fliegen wird, aber denkste. Erst am Ende der Messe, als ich damit gar nicht mehr rechnete und mit dem Gedanken endgültig abschloß, da entfachte man das Feuer und schwank es hin und her. Nicht allzu toll und dann auch nur quer, nicht längsseits des Kirchenraumes. Es riß auch nicht ab und flog nicht durch das Fenster davon wie einst, und war überhaupt ziemlich unspektakulär. Heute aber ist es auch damit vorbei, da angeblich die Pendelbewegung die Statik des Kirchenturmes zu sehr belaste. Vielleicht. Vielleicht aber machte sich einer nur dieselben Gedanken wie ich. Jedenfalls belastete das Pulverfaß die Statik die ganzen Jahrhunderte davor, ohne daß sich jemand deswegen den Kopf zerbrach, ohne daß die Kirche einstürzte oder im Rauch aufging. Nie gab es Verletzte oder gar Tote. Ein Wunder wohl. Ich kann es mir nur damit erklären, daß der Apostel selbst seine schützende Hand darüber hielt. Das es heute aber überall an Gla u ben fehlt, will man nun mehr lieber auf die Statiker hören. Sogar im einst erzk a tholischen Spanien.
    Währenddessen formte sich schon eine lange Schlange vor der Treppe zu der silbernen, buddhaartigen Statue des sitzenden Apostels, die den Altar dominiert. Eigentlich ist sie aus Holz, erst um 1700 wurde sie mit getriebenen Silberplatten verkleidet. Das Edelmetall stammt von der spanischen Unterwerfung Südamer i kas. Der heilige Jakob, Jakobus der Ältere, Sohn des Zebedäus, Bruder des J o hannes, einer der zwölf Jünger Jesu, wurde im Jahre 43 auf Befehl des Königs von Judäa geköpft, und da ihm angeblich das Grab verweigert wurde, von seinen Jüngern im Boot nach Spanien gebracht. Als Nebenfigur ist er auch als Matam o ros der Maurentöter am Altar präsent. Man steigt zum Apostel hinter dem Altar über eine Treppe hinauf und umarmt ihn zum Zeichen der Erfüllung des Gelü b des. So ein sichtbares Zeichen scheint irgendwie nötig und statthaft. Freilich tun zigtausend schnöde Touristen mit Hingabe dasselbe, so daß man da gut anstehen kann. Schlange stehen ist zwar nicht mein Ding, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Man kann nicht wegen einer Menschenschlange davon laufen, wenn man deshalb ganze Monate unterwegs war. Also absolvierte ich den Besuch beim Apostel wie alle anderen auch. Kurz und bündig. Unten, in der kleinen Krypta nahm ich mir dann am silbernen Schrein des Apostels bißchen mehr Zeit. Brave Pilger und Touristen warteten, ohne mich zu bedrängen, und ich durfte all deren bedenken, die mir auf dem Weg begegneten, mich eine Weile begleiteten und mir Gutes taten, und denen ich versprach, für sie am Grab des Apostels zu beten. Dafür hätte ich mir gerne noch mehr Zeit genommen.
    Ich wollte diesen kostbaren Augenblick festhalten und lungerte noch eine ganze Weile herum, aber die Kathedrale wurde irgendwie nicht leerer und ruhiger. A l les hat ein Ende, auch die Ankunft in Santiago, und ich hatte mich noch um a n dere Dinge zu kümmern. Vor allem wollte ich endlich etwas essen. Ganze drei Tage habe ich schon gefastet. Mit dieser Ausrede genehmigte ich mir in einem kurdischen

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