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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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eingezogen.«
    Sie saßen einen Moment wortlos nebeneinander und betrachteten das Hündchen. »Du verhältst dich wie eine verwöhnte kleine Göre, die Schwierigkeiten einfach feige aus dem Weg geht.«
    »Vielleicht bin ich so eine Göre, aber wenigstens bin ich eine Frau.«
    »Dann tu, was du für richtig hältst«, provozierte er sie. »Zeig dich selbst an. Wundern tut es mich dennoch. Ich dachte, du hättest mehr Mumm.«
    Pearl leerte ihr Glas und knallte es auf den Tresen. Sie ärgerte sich sowohl über sich selbst als auch über Charlie, denn im Stillen gab sie ihm Recht, wenn er meinte, dass sie sich drücken wollte.
    Er zog einen Umschlag aus der Brusttasche seines Hemdes. »Hier«, sagte er und warf ihn auf den Tresen. »Der Brief ist für dich.«
    Pearl erkannte die Handschrift ihrer Mutter.
    »Immerhin ist dein Mann noch am Leben«, fügte Charlie hinzu.
    Sie öffnete den Umschlag und las den Brief. »Mein liebster Junge …« Die Zensur hatte einige Passagen geschwärzt. Sie überflog die übrigen Teile des Briefes: Ein junger Mann aus der Nachbarschaft war in Kreta gefallen. Die Mutter von Mikey Michaels hatte den Knaben wieder zu sich genommen und war mit ihm zu ihrer Schwester gezogen. Clara schrieb einen ganzen Absatz über Hector; er hatte innerhalb von drei Wochen eine Frau kennengelernt, die zehn Jahre jünger als er war, ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie sogleich geheiratet. Sie verbrachten die Flitterwochen gerade im Windsor Hotel in Melbourne. Der Brief endete mit ihren Sorgen wegen ihrer verschwundenen Tochter. »Frankie, der Metzger, erzählte uns kürzlich, er sei sich hundertprozentig sicher, dass er sie neulich in Begleitung einer großen blonden Frau auf der Macleay Street gesehen habe. Aber seit Du nach Port Moresby abgefahren bist, haben wir nichts mehr von ihr gehört.« Wie üblich war der ganze Ton des Briefes ein wenig hysterisch, und beim Lesen konnte sie die schrille Stimme ihrer Mutter förmlich hören. Das Schreiben weckte in Pearl neue Zweifel darüber, was sie nun eigentlich wollte. Immerhin war Hector jetzt glücklich. Die Nachricht von seiner Vermählung minderte ein wenig ihr Schuldgefühl ihm gegenüber. Nur von Martin hatte sie bis jetzt noch nichts gehört. Hielt er sich nun auf Noras und Pookies Farm auf oder nicht? Sie faltete den Brief zusammen und steckte ihn ein.
    Charlie rief nach dem Verkäufer und bestellte noch mehr Bier.
    Der Mann nickte und nahm zwei weitere Flaschen vom Regal.
    »He«, wandte sich Charlie an ihn, »kennst du den Typen, der gestern desertiert sein soll? Es war ein Schwarzer.«
    Der Verkäufer lächelte. »Wäre er heute hier dabei, hätte er unter Garantie mit euch den Jazz gespielt. Wash war wirklich gut drauf mit dem Saxofon.«
    Pearl richtete sich auf und sah sich den Mann näher an. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. »Kanntest du ihn näher?«
    »He, Mann. Wash und ich haben zusammen ’ne Menge durchgemacht.«
    »Und was ist mit ihm passiert?«, wollte sie nun wissen.
    Der schwarze Gefreite schaute sie überrascht an. »Hast du das denn nicht gehört?«
    »Der Sergeant hat mir nur gesagt, dass Washington desertiert ist. Er weiß offenbar nicht, wo er ist.«
    Der Mann warf den Kopf zurück und lachte auf. »Der gute Wash hat dem Sergeant das Gewehr in den Hintern gesteckt, kann ich euch sagen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den kleinen Welpen, der sich noch immer in Pearls Schoß kuschelte. »Das da ist sein Hund. War sein Hund.«
    »Washingtons Hund?«, fragte Pearl. »Das war Washingtons Hund?«
    »Der mochte den Kleinen über alles. Hat er letzten Monat ’nem Kind von den Einheimischen für ’n Päckchen Zigaretten abgekauft, gleich nachdem er geboren war. Hat ihn mit Dosenmilch mit ’ner Pipette hochgepäppelt. Kaum zu glauben.«
    Pearl sah den Welpen nun in einem ganz anderen Licht. Sie streichelte ihn sanft, und er winselte wieder und leckte ihr die Hand. Dieselbe Zunge hatte mit Sicherheit auch James’ Hand geleckt. Seine Hände hatten dasselbe Fell gestreichelt. Sie entfernte eine Klette vom linken Ohr des Hündchens.
    »Wenn er ihn so gernhatte, warum hat er ihn dann nicht mitgenommen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Da draußen ist es scheißgefährlich. Da kannst du nicht mit Soldaten rummarschieren und gleichzeitig Stöckchenholen spielen.«
    »Mit Soldaten herummarschieren?«, fragte Charlie und glitt auf seinem Stuhl nach vorne. »Aber ich dachte, er sei desertiert?«
    »Er ist aus der US -Army abgehauen.

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