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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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auf die Palmenkrone. Tyrone sah etwas Schwarzes zwischen den Palmen aufblitzen, und dann drückte James auf den Abzug und schoss. Ein japanischer Soldat fiel in hohem Bogen kopfüber auf den Boden. Tyrone blickte wieder zu James und bemerkte, dass er nachlud. Aus den Augenwinkeln entdeckte er außerdem, wie ein Gewehrlauf weiter rechts neben dem Stamm einer Palme hervorlugte. Noch bevor er einen Warnschrei ausstoßen konnte, ertönte ein Knall und er erkannte, dass James zusammenzuckte.
    »Aber was ich dann gesehen habe, das war wirklich gruselig«, berichtete Tyrone. »Es war gar kein Japaner, da rechts bei der Palme. Es war Thomas.«
    »Pah!« Charlie konnte es nicht glauben.
    »Hör zu, Mann! Ich war in dem Schützenloch. Ich habe alles mit eigenen Augen gesehen. Und Wash, er hat sich über den Boden zu uns in das Schützenloch gerollt, das ging schneller, als du Ku-Klux-Klan sagen kannst.«
    »War er verletzt?«, wollte Pearl wissen.
    »Nee, war nur ’ne Fleischwunde. Aber als er merkte, dass es der Sergeant war, der ihn erschießen wollte, da ist er panisch geworden.«
    »Habt ihr über den Vorfall nicht Meldung gemacht?«, fragte Charlie.
    »Wer glaubt schon, was zwei Neger sagen, wenn dagegen die Aussage eines weißen Offiziers steht? So was passiert doch andauernd. ’s ist doch so, vor nichts hat der Weiße mehr Schiss als vor einem Nigger mit ’ner Knarre in der Hand.«
    »Und was war mit den Australiern?«, meinte Charlie. »Die müssen es doch auch gesehen haben?«
    »Die haben es auf ihre Weise gelöst. Verdammt, Wash kann echt mit ’nem Gewehr umgehen. Schließlich ist er auf ’ner Farm aufgewachsen. Und den Aussies war klar, der wär hier nirgendwo mehr sicher. Also haben sie ihn am Nachmittag, als sie weiterverlegt wurden, mit rausgeschmuggelt. Den Aussies war’s egal, ob er schwarz, blau, rosa oder lila war, solange er was traf, wenn er schoss.«
    Eine Eule schrie wieder. Pearl sackte über dem Gewehr zusammen, das auf ihrem Schoß lag. Das kam ihr alles so unwirklich, so unwahrscheinlich vor.
    »Und wo ist er jetzt?«, fragte sie.
    Tyrone machte eine vage Geste in eine Richtung des Tales. »Vermute mal, drängt die Japaner ab Richtung Norden. Treibt sie vor sich her in die Berge.«
    »Sie haben bereits zwei Tage Vorsprung«, sagte Charlie. »Aber, he, so viele australische Einheiten mit einem schwarzen Amerikaner dabei kann es wohl nicht geben.«
    »Falls Thomas uns gehen lässt«, erwiderte Pearl. »Er hat sich bereits mit Rudolph in Verbindung gesetzt, damit wir nach Lae zurückbeordert werden.«
    Sie hörten ein leichtes Kratzen auf dem Holzboden der Veranda. Der kleine Welpe kam um die Ecke gewackelt und sprang auf ihren Schoß.
    Sie knuddelte ihm den Bauch. »Wie heißt der Hund eigentlich?«
    Tyrone lachte kurz auf. »’s ist eine Sie. Er hat sie nach dem Mädchen benannt, in das er sich verguckt hatte«, sagte er. »Mann, ich glaube, er war schwer verknallt. Hat die ganze Zeit von der Kleinen geredet.« Tyrone wiegte sich im Sitzen hin und her und legte ein Bein auf das andere. »Hat das kleine Hündchen Pearl genannt.«
    Nachdem Pearl Tyrones Geschichte gehört hatte, kam es ihr so vor, als ob die Moskitos nicht mehr so oft zustachen, und auch die Hitze war nicht mehr ganz so stickig. James hatte also über sie gesprochen; sie fehlte ihm. Das bestärkte ihr Gefühl, dass es sich gelohnt hatte, all die Risiken auf sich zu nehmen. Der Welpe kuschelte sich in ihre Arme und schlief ein. Pearl und Charlie lehnten sich dösend gegen die Wand der Baracke.
    Im Morgengrauen erwachte sie vom Geräusch von Tritten, die von der gegenüberliegenden Seite der Veranda kamen. Sie gab Charlie einen Stoß in die Rippen und sprang auf. Ihre Finger legten sich automatisch um den Abzug der Lee-Enfield. Als sie im Eilschritt um die Ecke der Hütte bogen, sahen Charlie und sie zu ihrem Erstaunen im Zwielicht, wie zwei amerikanische Gefreite von der Rückseite der Baracke wegrannten und allem Anschein nach Kisten und Kästen mitschleppten.
    »Stehen bleiben!«, rief Pearl. Wie ein Echo schrie Charlie das Gleiche. Da die beiden nicht gehorchten, wateten Pearl und Charlie hinter ihnen her durch den Sumpf. Es war eine Verfolgungsjagd von Schattenfiguren durch Nebelfetzen, durch Pfützen und Schlamm, bis Charlie sich nach vorne werfen und einen von den beiden packen konnte, der dabei die Kiste fallen ließ, die er mit sich trug. Pearl war ebenfalls nur noch wenige Schritte von dem zweiten Mann entfernt, der

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