Bis ans Ende des Horizonts
geschickt über den schwierigen Untergrund spurtete. Sie hob ihr Gewehr an die Wange, zielte auf die Beine des Soldaten und drückte ab. Die Waffe fiel ihr fast aus der Hand, doch der Gefreite fiel mit dem Gesicht voran in den Schlamm und stieß dabei einen Schrei aus, der beinahe etwas Erotisches hatte. Pearl war zutiefst erschrocken über das, was sie gerade getan hatte. Sie rannte zu ihm hin und drehte ihn um. Sie konnte es fast nicht glauben: Der Mann trug eine amerikanische Uniform, einen zweiteiligen Tarnanzug und einen M1-Helm, aber er hatte schräge Augen und seine Haut war gelb. Die Japaner hatten sich mit den Uniformen gefallener amerikanischer Soldaten verkleidet, um Esswaren und Medikamente zu stehlen.
Am Nachmittag wurde ein Flugzeug aus Lae erwartet, das Munition, Lebensmittel und dringend benötigtes medizinisches Material bringen sollte. Während der Nacht waren weiter oben im Markham Valley eine Menge Soldaten verwundet worden. Sie wurden gerade von einheimischen Trägern auf Krankenbahren ins Camp gebracht. Auch der Nachschub an Nahrungsmitteln war wichtig, da die Japaner so viel gestohlen hatten. Sergeant Rudolph sollte ebenfalls mit dem Flugzeug mitkommen. Er wollte weitere Requisiten und Kostüme für die Show mitbringen und sich nach dem Tod von Blue vergewissern, wie es seinen Leuten ging. Marks, der Schlagzeuger, hatte in der Nacht Fieber bekommen und erbrach sich andauernd. Er lag mittlerweile im Feldlazarett.
Das Flugzeug kam mit mehr als zwei Stunden Verspätung. Viele Piloten flogen nur ungern am Nachmittag, weil die Gegend dann oft von dichten Wolken eingehüllt war, die bis zu den Berggipfeln hochreichten. Die Sicht war einfach zu schlecht. Als die Maschine endlich gelandet war und zu ihrer Standposition rollte, reihten sich die Minnesänger auf, um ihren Vorgesetzten gebührend zu empfangen.
Als Rudolph an der hinteren Luke erschien, nahmen die drei überlebenden Bandmitglieder und Wanipe Haltung an und salutierten. Der Sergeant sprang auf den Boden und gab das Kommando: »Rührt euch!«
James’ Welpe war Pearl auf das Rollfeld gefolgt und setzte sich neben sie, als ob er Teil der Gruppe sei. Pearl hatte das Hündchen bereits ins Herz geschlossen und trug es entweder in ihrer Tasche oder vorne in ihrem Hemd dauernd mit sich herum. Sie hielt es für ein positives Zeichen, dass ihr der Welpe sozusagen zugelaufen war, und deutete es als ermutigendes Signal von James, ihre Reise fortzusetzen, bis sie ihn gefunden hatte.
Rudolph sprach einige Beileidsworte zum Tod von Blue, aber seine dahingemurmelten Floskeln waren kein wirklicher Trost. Noch während er sprach, wurde Farthing von Atemnot befallen. Auf seinem Hemd erschienen Schweißflecken, und sein Gesicht wurde rot und schwoll an.
»Das wär’s erst mal, Männer«, sagte Rudolph schließlich, »ihr könnt dann abladen, und ich spreche inzwischen mal mit Sergeant Thomas.«
»Jawohl, Sir!«, riefen sie im Chor, und Rudolph machte sich auf den Weg zum Standortkommandanten. Pearl lief ihm hinterher und bat um eine kurze Unterredung. Der Welpe trottete ihr nach.
Rudolph hielt eine Hand vor die Augen, um sich gegen die Sonnenstrahlen zu schützen, und blinzelte zu ihr herunter. »Was gibt es, Willis?«
»Wir haben die ganze Vorstellung überarbeitet. Sie ist jetzt viel besser geworden.« Sie hob den Welpen hoch und hielt ihn auf dem Arm. »Ich spiele nach wie vor eine junge Frau, wie Sie angeordnet haben.«
Es entstand eine peinliche Stille. Rudolph schaute auf seine Armbanduhr.
»Ich möchte gerne damit weitermachen«, betonte sie nachdrücklich. »Sergeant Thomas möchte, dass wir nach Lae zurückkehren. Er meint, es sei für uns hier an der Front zu gefährlich.«
»Die Lage hat sich ein wenig verändert, seit die letzten Marschbefehle ergangen sind.«
»Aber wir haben es immerhin bis hierher geschafft«, bat sie. »Lassen Sie uns hier weitermachen.«
Rudolph runzelte die Stirn. »Weiter oben im Tal und in den Bergen sind verrückt gewordene japanische Einheiten verstreut, die unter keinem zentralen Kommando mehr stehen. Wir haben auch zu einigen Vorposten von uns und unseren Alliierten den Funkkontakt verloren, und unsere Verluste steigen ständig – soweit wir die Lage überhaupt beurteilen können. Außerdem haben wir Blue bereits verloren, und so, wie es aussieht, hat Marks Malaria.« Rudolph schüttelte den Kopf. »Und der Rest von euch macht auch nicht gerade den allerbesten Eindruck.«
»Ich fühle mich ganz gesund,
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