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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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alle beschützen möge, und alle stimmten in sein »Amen« ein. Aubrey zerteilte das Fleisch. Martin reichte das Gemüse herum. In diesem Augenblick läutete es an der Tür.
    Aubrey stieß seinen Stuhl zurück, doch Pearl war bereits vor ihm aufgesprungen. »Nein, lass mich aufmachen.«
    Sie zwang sich dazu, langsam und gemessenen Schrittes da s Esszimmer zu verlassen und durchs Wohnzimmer zu gehen, vorbei an den im ganzen Raum verteilten Stühlen und Sesseln und dem Kamin. Einen Moment lang war ihr schwindlig vor Vorfreude, aber dann sagte sie sich, dass es wahrscheinlich nur eine Nachbarin sein konnte, der der Zucker oder die Eier ausgegangen waren. Als sie in die Diele kam, konnte sie durch das in die Tür eingelassene Bleiglasfenster eine große Gestalt erkennen. Sie warf im Vorübergehen noch einen Blick in den Wandspiegel, bevor sie den Türknauf drehte.
    James stand in einer blitzsauberen und frisch gebügelten Uniform auf der Schwelle. Er lächelte eine wenig verlegen und konnte sie auch nicht direkt ansehen, sondern starrte nach unten auf seine polierten Stiefel. »Tut mir leid wegen neulich abends«, murmelte er. »Unser Käpt’n hat mich in die Wäschebrigade verdonnert.«
    Er schaute schräg zur Straße hinüber, als hätte er sich verlaufen und würde nun überlegen, welchen Weg er als Nächstes einschlagen sollte.
    »Alles Gute zum Geburtstag«, sagte er schließlich und überreichte ihr sein Geschenk, ein in Papier eingeschlagener quadratischer und sehr dünner Gegenstand, offenbar eine Schallplatte.
    Sie lächelte ihn an, fasste ihn mit der freien Hand am Arm und führte ihn in die Eingangshalle. Beim Anblick des ausgestopften Emus in der Dielenecke zuckte er zusammen. Pearl lachte und erklärte: »Keine Angst, das ist bloß Cedric«, und führte ihn ins Esszimmer. Als sie im Türrahmen auftauchten, hielten alle in ihren Gesprächen und mit dem Austeilen des Essens inne und richteten ihre Blicke auf Pearl und ihren Freund.
    James hob scherzhaft die Hand zu einem saloppen militärischen Gruß. »Hallo, Leute.« Nur der Klang seines Südstaaten-Akzents füllte in diesem Moment das Esszimmer. Alle sahen zu, wie Pearl ihn zu seinem Platz neben ihrem Stuhl geleitete.
    »Ich glaube, mich tritt ein Pferd!«, rief Clara, nachdem sie mit einem Löffel Kartoffelbrei in der Hand sekundenlang wie versteinert dagestanden hatte. »Mein Kind, du hast ja mit keinem Wort erwähnt, wie gutaussehend er ist!«
    Alles brach in Lachen aus, dann flatterten sämtliche weißen Servietten auf die Knie der Anwesenden, und mit siebzig Minuten Verspätung konnte das Geburtstagsmahl endlich beginnen.
    Clara reichte James eine Schüssel mit Kürbis, der inzwischen so stark zerkocht war, dass er fast zu Brei zerfiel. »Wir haben durchaus vernommen, dass ihr Boys nur zu gerne Familienanschluss und gute Hausmannskost genießt«, sagte sie. »Und das Eine können Sie mir glauben: Wir sind sehr froh über den Dienst, den Sie hier leisten.«
    Aubrey streute Salz auf seinen Teller, pickte dann eine einzelne Erbse auf, kostete sie und salzte noch etwas nach.
    »Als ich jung war, war ich Sängerin und Tänzerin«, verkündete Clara völlig unvermittelt. Pearl fiel auf, dass ihre Mutter leicht schwankte. Da sie selten Alkohol trank, war ihr die Bowle vermutlich gleich in den Kopf gestiegen.
    James schaute etwas unsicher zu Clara hinüber. Er wirkte etwas angespannt, als er sich vorbeugte, um sich von dem Blumenkohl Nachschlag zu nehmen.
    »Außerdem kann ich Kornett spielen, und ich bin Schlagzeugerin.«
    James richtete sich auf und erhob sein Glas, um ihr zuzuprosten. »Dann sind Sie also eine echte Renaissance-Dame«, sagte er mit seiner verschliffenen Betonung.
    »Nein!«, zwitscherte sie, »ich bin katholisch! Pastor Jim persönlich hat mich getauft. Und die Kinder natürlich auch.«
    Der Priester zuckte nur bescheiden die Schultern und säbelte weiter an seinem trockenen Hühnerbein herum.
    »Ich hoffe, dass er auch so lange leben wird, um die beiden zu verheiraten«, fügte Clara hinzu. »Nicht miteinander natürlich.«
    Aubrey räusperte sich und fragte James nach seiner Herkunft.
    »Er kommt aus den Südstaaten!«, klärte Pearl ihn eifrig auf.
    »Aus der Nähe von New Orleans«, ergänzte James, was er wie Nuu Ohlins aussprach.
    »Mutter stammt aus New Orleans«, bemerkte Clara.
    Lulu setzte ein verklärtes Lächeln auf, als hätte sie jedes Wort verstanden. Man wusste bei der alten Frau nie genau, was sie alles mitbekam und was

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