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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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Schrittes quer durch das Zimmer zu der Stelle, wo der Krug mit der Bowle stand. »Was in den Zeitungen darüber stand, sah gar nicht gut aus, junge Dame.«
    Pearl stand neben dem Kamin und beobachte, wie James’ Blick sich wiederholt auf die Diele richtete. Sie wünschte sich, ihre Mutter würde endlich den Mund halten.
    »Das hat den Ruf dieser Frauen für immer zerstört«, fügte Clara noch hinzu. »Deren arme Eltern können einem leidtun. Wie soll man jemals über so etwas wieder hinwegkommen?«
    »›Nackte Frauen bei Jazzorgie‹ oder so ähnlich hieß es in den Schlagzeilen«, erinnerte sich nun auch Aubrey. »Damals gab es noch diese Rassentrennungsvorschriften in Australien.«
    Die letzten Töne des Liedes schwangen durch den Raum, das ausklingende Zusammenspiel einer Trompete und einer Klarinette.
    James räusperte sich. »Was hat es mit Rassentrennungsvorschriften in Australien auf sich?«
    Aubrey machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist viele Jahre her.«
    »Um Farbige zu diskriminieren oder nicht ins Land zu lassen?«
    Aubrey zupfte geistesabwesend an seinem Ohrläppchen. »Es ging dabei hauptsächlich um die Chinesen. Sie sollten von den Goldminen ferngehalten werden. Aber ich kann mich auch noch gut an das Jahr 1908 erinnern, als man diesen Negerboxer Jack Johnson ins Land gelassen hat. Mannomann!« Grinsend sprang Aubrey auf und tänzelte schattenboxend im ganzen Raum umher. »Der hat vielleicht auf diesen weißen Typen eingedroschen – wie hieß der noch gleich? Hat ihm die Gedärme aus dem Leib geprügelt.« Aubrey duckte sich und verließ Lufthiebe schlagend den Raum Richtung Keller, um noch eine Flasche Wein zu holen.
    James sah verstohlen auf die Uhr.
    Pearl spürte, dass die Stimmung des Geburtstagsfestes zu kippen drohte, und zwar rasch. Deswegen fragte sie ihre Mutter, ob sie noch einen Nachtisch eingeplant hatte.
    Doch Clara war inzwischen voll in Fahrt gekommen und wimmelte Pearls Frage ab. In trunkenem Zustand fuhr sie mit ihrem Thema fort und berichtete, dass man bei den Musikern von Sonny Clays Band auch noch Geschlechtskrankheiten diagnostiziert hatte.
    »Syphilis?«, murmelte James.
    »So stand es in der Zeitung – schwarz auf weiß.«
    James richtete die Manschetten seiner Ärmel und stand auf. »Ich habe gar nicht mitbekommen, wie spät es geworden ist«, sagte er. »Ich muss mich auf den Weg zurück ins Camp machen.«
    »Nein!«, rief Pearl.
    »Lieber Himmel, mein Junge« – Clara schwenkte ihr leeres Glas durch die Luft –, »wir haben noch nicht einmal den Tee serviert.«
    James wirkte peinlich berührt. Es war offensichtlich, dass er sich so schnell wie möglich verabschieden wollte.
    Plötzlich platzte Aubrey mit einer großen rechteckigen Schachtel mitten ins Wohnzimmer, die in goldenes Geschenkpapier eingeschlagen war. Obenauf balancierte er eine weitere Schachtel, die in der gleichen Weise verpackt war.
    »Sie können uns doch jetzt noch nicht verlassen«, rief er und stellte sich James beinahe in den Weg. »Die Zwillinge haben ihre übrigen Geschenke ja noch gar nicht ausgepackt!«
    Die kleinere Schachtel drückte er Martin in die Hand, und nachdem dieser die Verpackung geöffnete hatte, entpuppte sich sein Geschenk als Tweedanzug mit zweireihigem Jackett und Seidenfutter. Aubrey überreichte Pearl nun das größere Paket. »Das ist von Mum und mir.«
    Pearl stellte es auf dem Boden ab und kniete sich davor. Nachdem sie die Verpackung entfernt hatte, kam eine längliche Pappschachtel zum Vorschein. Darin lag ein großer schwarzer Kasten in der Form eines Fragezeichens. Ihr Herz raste wie bei einem schnellen Stepptanz, als sie die silbrigen Schnallen öffnete und den Deckel hochhob. In einer Polsterung aus lilafarbenem Samt lag ein glitzerndes Saxofon.
    Sie schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. »Und das soll mir gehören?«
    »Beinahe«, erwiderte ihr Vater. »Sobald der Kredit dafür bezahlt ist.«
    »Wir haben eine Anzahlung von fünf Pfund geleistet.«
    »Und zahlen zwei Schillinge pro Woche ab«, ergänzte Aubrey und schürte das Feuer im Kamin mit einem Eisenhaken.
    »Dann wollen wir mal hoffen, dass wir demnächst nicht aus dem Orchester rausgeschmissen werden«, bemerkte Martin und steckte die Schallplatte wieder in ihre Schutzhülle.
    Pearl setzte das Instrument zusammen und hielt es James hin. »Du sollst es zuerst spielen.«
    Er machte eine abwehrende Handbewegung. »Das ist dein Geburtstag, Pearl.«
    »Dann bitte ich dich, für mich zu spielen«, bat

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