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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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schimpfte Clara. »Ihr beiden haltet ja immer zusammen.«
    »Mum, seit das Telegramm gestern gekommen ist, bin ich nicht mehr aus dem Haus gegangen.«
    »Und was ist, wenn Hector hinter die ganze Angelegenheit kommt?«, fuhr Clara fort und warf Pearl einen drohend funkelnden Blick zu. »Hast du auch einmal daran gedacht?«
    »Hector erfährt nur etwas, wenn ihm einer von uns etwas davon erzählt.«
    »Und was ist, wenn es nächsten Monat zur Gerichtsverhandlung kommt?«
    »Wir sind von zwei GI s angegriffen worden.«
    »Man hat gesehen, wie du in dem Polizeiwagen praktisch auf ihm lagst. Und was ihr dabei getrieben habt, will ich lieber gar nicht wissen.«
    Zum Äußersten getrieben klammerte sich Pearl mit den Händen an die Tischplatte und sah ihrer Mutter direkt in die Augen. »Ich liebe ihn.«
    Clara wurde völlig blass und musste sich am Spülstein abstützen. »Und wir haben befürchtet, du hättest eine Art Nervenzusammenbruch. Aber jetzt wird mir klar, dass du nur ein dummes, undankbares Flittchen bist, das … das bedenkenlos dem Teufel hinterherrennt, selbst wenn er mit dem billigsten Vergnügen lockt.«
    »Wenigstens weiß ich, wie man Spaß und Freude am Leben haben kann.«
    Clara holte aus, und bevor sich Pearl wegducken konnte, bekam sie eine schallende Ohrfeige, die sie gegen die Rückenlehne ihres Stuhls warf.
    Es wurde mucksmäuschenstill im Raum.
    »Nun reicht es, Clara«, sagte Aubrey. »Es ist höchste Zeit, dass sich alle wieder ein bisschen beruhigen. Lieber Himmel, das ist schließlich kein Weltuntergang.«
    Pearl hob die Hand an ihre schmerzhaft brennende Wange. Es fühlte sich an, als sei sie mit kochendem Wasser verbrüht worden. Doch sie zwang sich, nicht zu weinen. Sie wollte ihrer Mutter den Triumph nicht gönnen, sie erniedrigt zu sehen.
    Den ganzen Tag über und bis weit in den Abend hinein blieb James in Pearls Gedanken vollkommen präsent. Wie ein Parfum, das in ihren Kleidern, ihren Haaren, ja selbst in ihrem Kissen hing. Obwohl es zum ersten Mal vorgekommen war, dass ihr Bruder ihr etwas verheimlicht hatte, obwohl sie in eine Prügelei geraten und ins Gefängnis gesteckt worden war – ihre kurze Wiedervereinigung mit James war für sie das wichtigste Ereignis und überdeckte alles andere. Es gab für sie nicht mehr den geringsten Zweifel, dass ihrer beider Schicksale auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden waren. Diese Gewissheit linderte den Schmerz ihrer geschwollenen Wange, dämpfte all ihre Ängste und entspannte ihre verkrampften Muskeln.
    Sie erwachte mit vollkommen trockenem Mund; draußen war es noch dunkel. Im Fensterausschnitt konnte sie einige Sterne sowie die Mondsichel erkennen. Einen Moment lang dachte sie, sie hätte alles nur geträumt – das zufällige Wiedersehen mit James, die Arrestzelle, die Auseinandersetzung mit ihrer Mutter. Dann brachen allerdings die Erinnerungen über sie hinein wie die Wellen am Strand. Wie er seine in Handschellen geketteten Arme im Polizeiwagen um sie legte. In ihren Ohren klimperte die Musik, die sie einst zusammen gespielt hatten. Und sie stellte sich vor, wie er Abdrücke auf ihrer Seele hinterlassen hatte, sozusagen Fingerabdrücke im innersten Mark. Aber plötzlich fuhr sie aus ihren Tagträumen auf, denn ihr fiel wieder ein, dass dies Martins letzter Abend und seine letzte Nacht in Sydney waren, und sie hatte schon einen Gutteil davon verschlafen.
    Unten im Erdgeschoss war es in allen Räumen dunkel. Sie schaltete die Küchenlampe ein und erkannte sogleich, dass das Abendessen natürlich längst vorüber war. Das gespülte Geschirr stand auf dem Abtropfgestell. Durch die Tür konnte sie erkennen, wie Mikey in seiner Hängematte im Esszimmer schlief. Die Küchenuhr über dem Herd zeigte elf Minuten nach zehn. Sie musste neun Stunden am Stück geschlafen haben. Nun hatte sie großen Hunger.
    Martin musste das Haus am nächsten Morgen um vier Uhr verlassen. Sein Frühstück stand bereits vorbereitet und mit einem umgedrehten Teller bedeckt auf dem Tisch. Pearl hob den Teller hoch. Vier mit Hackbraten und gekochten Eiern gefüllte Sandwiches lagen bereit. Sie nahm sich eines davon und biss hinein, wobei sie bemerkte, dass Clara ein großes Stück Früchtebrot und Kekse eingepackt und für ihren Sohn auf der Anrichte bereitgelegt hatte, als würde er zu einem Schulausflug aufbrechen. Daneben lagen noch ein paar andere nützliche Dinge: Clarke’s Blood Mixture, das berühmte Allheilmittel, DeWitt’s Antazid-Pulver gegen

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