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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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alles nichts mit dir zu tun.« Er spannte seinen Bizeps an und drückte sie damit an sich. »Du weißt doch genau, dass wir nicht hätten zusammenbleiben können – nicht für immer.«
    Der Einsatzwagen verlangsamte seine Fahrt und kam zum Stehen. Zwei Wagentüren wurden zugeschlagen, dann hörte man Schritte.
    »Aber warum nicht in Australien? Wir hätten …«
    »Ich werde morgen wieder verlegt.« James sprach ganz leise, er flüsterte beinahe. »Nach Neuguinea.« Pearl hörte das Rasseln eines Schlüsselbundes und die gedämpften Stimmen der Polizisten. In diesem Moment wollte sie nichts lieber, als hier in dem Polizeiwagen gemeinsam mit James eingesperrt zu bleiben, seine Arme um sie gekettet. So sollte es immer sein. »Es macht mir nichts aus, dass du diesen Typen … wie hieß er noch gleich? … heiraten wirst, aber du musst wissen« – sie spürte seine Lippen ganz dicht an ihren –, »dass dich niemand so liebt wie ich.«
    Als sie das Blut von seiner aufgeplatzten Lippe schmeckte, wusste sie, dass umgekehrt kein Mensch James so lieben würde, wie sie es tat. Von nun an würde niemand das innige Band zertrennen, das ihr Schicksal zusammengeknüpft hatte.

12
    Auf dem Polizeirevier wurde Pearl von James getrennt. Sie kam in einen Arrestbereich, wo offensichtlich überwiegend Prostituierte festgehalten wurden; dort wartete sie auf ihre Eltern, um gegen Kaution wieder freizukommen. Die Zellen im Keller waren eng, und es roch nach Schimmel und kaltem Tabakrauch. Inzwischen war es reichlich nach Mitternacht, doch von allen Seiten konnte man durch die Gitterstäbe hören, wie sich andere Gefangene miteinander unterhielten. Sie nickte immer wieder etwas ein, bis gegen Morgen Schritte durch den Gang hallten. Sie zuckte verlegen zusammen, als sie erkannte, dass sich ihre Eltern in Begleitung eines Wachmannes näherten. Ihre Kaution war auf zehn Pfund festgesetzt worden, und Pearl hatte keine Ahnung, wie Aubrey und Carla so schnell so viel Bargeld auftreiben konnten. Sie ging davon aus, dass sie bereits in allen Einzelheiten über die Anschuldigungen in Kenntnis gesetzt waren: Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Clara, die sofort registrierte, dass sie in einer Männeruniform steckte und ihre Haare völlig wirr nach allen Seiten abstanden, blaffte: »Steh gefälligst vom Boden auf! Alle sagen ja, du wärst eine Irre, und auf mich wirkst du genau so.«
    »Mama, du verstehst nicht …«
    »Darüber sprechen wir, wenn wir zu Hause sind.«
    Der Wachmann öffnete die Zellentür, und Pearl trottete hinter ihren Eltern zwischen den anderen Arrestbereichen nach draußen. Sie schielte im Vorbeigehen in die anderen Zellen in der Hoffnung, einen Blick von James zu erhaschen, um sich von ihm zu verabschieden. Sie schaute kurz in die Gesichter – da war ein Mann mit einer Kopfform wie eine Mango, einer mit einem Schnauzbart und ein spindeldürrer mit kahlem Schädel, aber von ihrem Liebsten war weit und breit nichts zu sehen.
    Ihre Eltern fuhren mit ihr im Taxi nach Hause zurück. In der Küche betrachtete Pearl lediglich trotzig die ausgebleichte Maserung der Tischplatte. Ihr Vater sagte nichts, sondern trommelte nur mit den Fingern auf einem Schneidebrett herum, während Clara ständig auf und ab ging und Pearl mit Fragen bombardierte.
    Im ersten Stock wurde eine Tür zugeschlagen, und man hörte die Schritte von Martin auf dem Gang. Clara rief ihn sofort nach unten. Als er in die Küche trat, trug er noch seinen Pyjama.
    »Hast du darüber Bescheid gewusst?«, wollte sie wissen.
    Martin gähnte. »Worüber?«
    Clara deutete lediglich auf Pearl, die noch immer die Uniform ihres Bruders trug.
    Er schaute ausdruckslos zu seiner Schwester hinüber. »Ich habe weiß Gott andere Sorgen, als mich um die Verkleidungsmätzchen von Pearl zu kümmern.« Er öffnete den Eisschrank und holte eine Flasche Milch heraus.
    »Weißt du irgendetwas über ihren … ihren farbigen Bekannten?«
    Über sein Gesicht huschte ein Schatten. »Farbig, sagst du?«, fragte er. »Was für eine Farbe hat er denn?«
    »Er ist schwarz!«, rief Clara. »Wie dieser Schwarze, den ihr beiden im letzten Jahr zu eurem Geburtstag eingeladen habt.«
    Martin schluckte und spielte mit den Fingern an einem Knopf seiner Pyjamajacke.
    »Du weißt genau, wovon hier die Rede ist.«
    Martin zuckte mit den Schultern. »Wenn er so schwarz ist, hat er vielleicht zu lange in der Sonne gelegen.«
    »Das hier ist eine ernste Angelegenheit, junger Mann«,

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