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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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würde sie sie aus dem Haus werfen oder – noch schlimmer – in Hectors Irrenanstalt stecken. Ihre Freundin bot an, dass sich Pearl auf ihrer Farm verstecken könne, um eine Weile von der Bildfläche zu verschwinden. Da Nora gerade ihr Baby bekommen hatte, könnte sie eine Hilfe gut gebrauchen.
    Martin hörte sich Pearls sogenannte Problemlösung zwar an, allerdings war er noch etwas verwirrt und keineswegs restlos überzeugt. »Das klingt ja alles ganz nett«, sagte er, »aber wie soll mich das Ganze vor Neuguinea bewahren?«
    Pearl schlug mit der flachen Hand auf die Matratze. »Verstehst du denn nicht? Ich ziehe deine Uniform an und gehe an deiner Stelle.«
    Martin überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. »Damit kommst du keinesfalls durch.«
    »Gestern Abend habe ich auch die ganze Meute an der Nase herumgeführt«, erinnerte Pearl ihn. »Einschließlich der amerikanischen Militärpolizisten. Sogar James hat mich zuerst mit dir verwechselt.«
    Martin ging nervös im Zimmer auf und ab und achtete nicht darauf, wie er dabei Zigarettenasche auf dem Teppich verstreute. »Du hast doch nicht die geringste Ahnung vom Militärleben.«
    »Du genauso wenig!«, gab sie schnell zurück. »Das Einzige, was du im vergangenen Jahr gemacht hast, war, herumzureisen, während der Vorstellungen in der Musikband zu spielen und es dir ansonsten gut gehen zu lassen.«
    »Damit wird in Neuguinea Schluss sein.« Er drückte seine Zigarette aus. »Warum um alles in der Welt willst du denn unbedingt dorthin?«
    Pearl spürte, wie ihr eine leichte Röte ins Gesicht stieg. »Wegen James«, erwiderte sie. »Er ist ebenfalls dorthin abkommandiert. Mart, ich muss ihn unbedingt ausfindig machen. Ich liebe ihn so sehr. Wir gehören einfach zusammen.«
    Eine ganze Weile sprach keiner von beiden mehr ein Wort. Pearl konnte das Ticken des Pendels in der Standuhr im Wohnzimmer hören. Schlag für Schlag verstrichen die wenigen Stunden, die noch verblieben, bis Martin sich in der Victoria-Kaserne zum Dienst zurückmelden musste.
    » Es ist doch nicht das erste Mal, dass eine Frau so etwas tut. Was war denn mit all den Frauen, die sich im vergangenen Jahrhundert als Männer verkleideten, damit sie gemeinsam mit ihren Männern, die Matrosen waren, auf Seereise gehen konnten? Und du weißt genauso gut wie ich, dass es im Outback junge Aborigine-Frauen gibt, die sich die Haare kurz schneiden und Männerkleidung tragen, damit sie als Viehtreiber arbeiten können. Nicht zu vergessen der große Kampf am zweiten Weihnachtsfeiertag im White-City-Stadion.«
    Dieses besondere Ereignis gehörte sozusagen zur Familiengeschichte der Willis’. Bis 1908 galt der erste schwarze Weltmeister im Schwergewichtsboxen namens Jack Johnson, dessen Spitzname Galveston Giant lautete, als unbesiegbar. Damals wurde er von dem Boxer Tommy Burns herausgefordert und ein Boxkampf in Sydney anberaumt. Damals befand sich die größte Arena Australiens im Stadtteil White City. Dort fanden über zehntausend Zuschauer Platz, und sämtliche Eintrittskarten waren Wochen im Voraus ausverkauft. Ihr Vater Aubrey hatte eine davon ergattert. Das zu erwartende Spektakel hatte bereits so viel weltweites Aufsehen erregt, dass die amerikanische Tageszeitung New York Herald dem amerikanischen Schriftsteller Jack London den Auftrag erteilt hatte, darüber zu berichten. Er befand sich damals zufällig in Begleitung seiner Frau Charmaine in Australien. Sie war genauso sportbegeistert wie ihr Mann und außer sich, als sich herausstellte, dass Frauen zu diesem Wettkampf nicht ins Stadion eingelassen wurden. Daher zog sie einen Anzug ihres Mannes an, setzte einen Herrenhut auf und verschaffte sich auf diese Weise an den Einlasskontrolleuren vorbei Zugang. Damals hatte Aubrey seinen Platz direkt neben Charmaine London. Das war natürlich der Grund dafür, dass Pearl und Martin diese Episode so gut kannten, denn sie war in der Familie oft erzählt worden. Ein Platz weiter war übrigens Jack London selbst gesessen und hatte sich die ganze Zeit eifrig Notizen gemacht, bis Johnson seinen Herausforderer Burns in der vierzehnten Runde zu Boden schickte, woraufhin der Kampf abgebrochen wurde. »Übrigens haben ihre Hände sie verraten«, pflegte Aubrey jedes Mal zu sagen. »Deren Haut war ganz hell, weich und ordentlich manikürt. Damals hatten unter Männern nur Chirurgen und Homosexuelle derartig gepflegte Fingernägel.«
    Pearl grinste Martin an, griff sich eine Schere, die auf der Kommode

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