Bis auf die Haut
weich, randvoll gefüllt. Du lächelst in die ungeduldige Dämmerung und hältst dir die Finger unter die Nase, saugst den Cocktail von Gerüchen ein, den Geruch zweier Körper. Du fühlst dich wie als Teenager, wenn die Prüfungen geschafft waren und die Sommerferien sich vor dir ausdehnten.
Aber in dieser Nacht liegst du wach, hellwach, als Cole sich mit seiner Wärme an dich drängt. Seine Hand liegt auf deiner Hüfte, aber deine Augen sind eulengroß vor Hunger nach etwas anderem, was in dir entfesselt wurde, etwas Gewaltsames, Furcht Erregendes und ungemein Berauschendes. Kennt Theo dieses Gefühl auch? Hatte sie jemals Schuldgefühle? Würde sie sich jetzt zufrieden geben und zu ihrem normalen Alltag zurückkehren? Es ist noch nicht allzu lange her, da hast du nur von einem Ausbruch geträumt, einem einzigen, der die Auflösung deiner Ehe aufhalten und dich durchspülen, reinigen sollte, damit du erfrischt dein Eheleben neu beginnen könntest, ohne Blick zurück.
Deine Zähne nagen an einem widerspenstigen Hautfetzen auf deiner Lippe, du beißt so lange darauf herum, bis warmes Blut in deinen Mund quillt.
72. Lektion Wir alle haben die Pflicht, unseren Mitmenschen so viel Freundlichkeit und Hülfe als möglich zu erweisen
Und so fängt es an.
An einem Werktagnachmittag. Einmal die Woche. Immer in Gabriels Wohnung.
Du bist eine gute Lehrerin, warst es schon immer, und nach den langen Jahren guten Unterrichts möchtest du nicht nur geben, sondern auch etwas zurückbekommen. Du stellst nur eine Bedingung, machst von Anfang an klar, dass sich dieses Arrangement in keiner Weise störend auf dein sonstiges Leben auswirken darf. Nur so kann es funktionieren. Wenn die Lektionen abgeschlossen sind, werdet ihr beide wieder in eure eigene Welt zurückgehen. Und wenn ihr euch später einmal zufällig auf der Straße begegnen solltet, werdet ihr euch nicht anmerken lassen, dass ihr euch kennt oder was an diesen Nachmittagen in Gabriels Wohnung geschah. Diese Abmachung ist für dich der Freibrief, genau zu erkunden, was du selber willst. Es wird keine Fotos geben, keine Aufzeichnungen, nichts Greifbares, nichts, was als Beweisstück dienen könnte. Die Erinnerung ist alles, was ihr beide davon behalten dürft. Die Regeln sind eindeutig und rasch aufgestellt; sie erleichtern es dir, dich vor dir selbst zu rechtfertigen.
Einmal die Woche. Das ist das einzige Mal, das ihr euch trefft. In den Stunden dazwischen zehrst du von der Erinnerung.
Allein das ist schon erregend.
Er öffnet die Tür immer im Anzug, als käme er gerade von der Arbeit. Die Luft in seiner Wohnung riecht nach der Londoner Innenstadt, nach Verkehrsstaus, ein metallischer Geschmack legt sich dir auf die Zunge. Geschäftsleute im Anzug gehen mit klappernden Absätzen oder schnellen Sportschuhen an seinem Erdgeschossfenster vorbei, sprechen in ihr Handy. Das verstärkt das Mutwillige, Kindisch-Ausgelassene, Genusshafte eurer Lektionen, als würdet ihr an einem sonnigen Nachmittag blaumachen und heimlich ins Kino gehen. Nur ist das, was ihr tut, noch viel, viel schlimmer.
So vergeht Woche für Woche. Langsam, ganz ohne Hast. Du hast das Gefühl, nach dem stürmischen Beginn mit eurem ersten, wunderbaren Sex habt ihr alle Zeit der Welt, um einander auszukosten. Es gibt jetzt so viel zu lernen. Für euch beide, denn während du ihm etwas beibringst, lernst du es auch selbst, auch wenn er das nicht zu wissen braucht.
Ein ungefährer Ablauf spielt sich ein.
Erstens das Ausziehen. Du lernst seine Haut Fingerbreit für Fingerbreit kennen. Er die deine.
Zweitens Berührungen, Lecken, genau dort, wo du es willst. An deinem Ohrläppchen. Seine Zungenspitze an deinem Gaumen. Die Haut unter der Vagina, ihren zarten Rand, deine Klitoris. Du sagst ihm genau, wo du ihn haben willst, führst ihn, befiehlst ihm, langsamer zu machen oder nicht aufzuhören oder sich nicht zu bewegen oder auf der Spur zu bleiben. Und dabei hast du, da er aufmerksam zuhört und genau tut, was du verlangst, endlich deinen ersten Orgasmus, und eine ganz neue Welt tut sich auf: Als der heiße Saft aus dir hervorflutet, schließt du ganz fest die Augen, scherst mit den Beinen aus und wölbst den Rücken hoch, versuchst, die letzten Schauer aus dir herauszupressen oder sie zu verlängern, du weißt selbst nicht, was von beidem, und immer noch zucken die Explosionen durch deinen Leib, bis sie langsam verebben. Du kannst dich nicht mehr rühren, bist völlig erschöpft, liegst nur noch auf dem
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