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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Gemmell
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fünfundzwanzig, und dann war ich dreißig, mein Gott, da konnte ich es doch erst recht keiner mehr sagen! Und komisch, mit den Jahren fiel es mir immer leichter, nein zu sagen. Zu tun, als ob. Es war, als lebte ich hinter einer Glaswand und konnte alle ansehen, aber nicht berühren. Er lacht leise.
    Und dann begegnete ich in einem Lokal dieser Frau.
    Dein Atem stockt.
    Und sie gefiel mir, sehr sogar. Er spricht ganz langsam, du kannst ihn vor lauter Herzklopfen kaum hören. Sie ist verheiratet, was merkwürdigerweise auch bedeutet, dass sie frei ist. Es würde keine Komplikationen geben, kein chaotisches Nachspiel. Ich habe viel darüber nachgedacht. Sie war eine Person, der ich absolut vertrauen konnte. Außerdem eine Dozentin, komisch, was?
    Dein Mund ist staubtrocken.
    Und doch kann ich sie nicht bitten, mir da herauszuhelfen, unmöglich. Ich könnte sie nie fragen. Sie hat mich einmal gefragt, aber da bekam ich einen Blackout, bin durchgedreht, ich war noch nicht so weit. Und dann … hab ich’s einfach nicht mehr geschafft. Es tut mir sehr Leid.
    Du siehst Gabriel an, wie er in vollkommener Nacktheit vor dir sitzt, sein Gesicht, seine gerunzelte Stirn spiegeln eine solche Hilflosigkeit, und du bist tief bewegt von seiner Ehrlichkeit, seinem Mut. Was für ein Gegensatz zu Cole, der nur den Kiefer zusammenpresste, wenn du ihn immer wieder nach Theo fragtest, der die Hände anspannte, wenn er deine Fragen wegschob. Gabriel macht mit seinem Geständnis einen enormen Sprung, du bist sicher, dass er noch mit keinem Menschen darüber gesprochen hat. Er hatte immer etwas seltsam Abwesendes, dir fehlte ein kleines Teilchen des Puzzles, und jetzt ist er plötzlich voll gegenwärtig, so offen und einnehmend, und in dir steigt eine Zärtlichkeit hoch, die über dich hereinbricht wie eine Brandungswelle. Du urteilst nicht über ihn, sondern respektierst ihn, weil er dem Druck und der Panik, seine Jungfräulichkeit nur ja schnell abzustreifen, nicht unterlegen ist, sondern Widerstand leistete und ausharrte. Sein Verhalten ist so altmodisch und diszipliniert und edel und kurios, niemand ist heute noch so.
    Plötzlich krümmt sich Gabriel und legt den Kopf in seine Hände, als könnte er nicht glauben, was er dir gerade gebeichtet hat. Diesen Augenblick wird er nie im Leben vergessen: Du musst jetzt ganz einfühlsam sein, darfst ihn nicht verletzen, verschrecken, die Glaswand noch verstärken. Er ist dir jetzt näher als je zuvor, so verwundbar und aller Hüllen entblößt. Du weißt, dass auch in deinem Gedächtnis dieser Augenblick für immer brennen wird wie ein grelles, niemals abgeschaltetes Neonlicht in einem öffentlichen Gebäude, dieser Augenblick, als Gabriel nackt vor dir sitzt und alle deine Neins, die sich so lange in dir aufgestaut haben, zusammenfließen in ein riesengroßes
    Ja
.

70. Lektion Lieber lasse dir einen Mühlstein um den Hals
binden und dich in den tiefsten Teich werfen, als dich dem Opium zu ergeben
    Zu Fuß zu seiner Wohnung. Du wagst nicht zu sprechen, hältst seine Hand gefasst, zitternd, feucht.
    Seine Räume sind karg und klar wie die eines Mönchs, hier und da ein schönes Objekt, das er von seinen Reisen mitgebracht hat, kleine Stapel Taschenbücher, Schwarzweißpostkarten an den Wänden. Er drängt sich dem Raum nicht sehr stark auf.
    Sein Bett ist überraschend groß. Du knipst das Licht aus. Wo nur anfangen, du bist die Lehrerin, vor dir die leere Schiefertafel. Gott, welche Verantwortung. Du sammelst deine Gedanken, nur ja nichts überstürzen. Du willst nicht, dass er etwas von dem Schmerz oder der Enttäuschung erlebt, die du so oft empfunden hast. Wie viele Frauen bekommen diese Chance, einen Mann einzuweihen? Es muss eine wunderbare Erinnerung für ihn werden, die er sein ganzes Leben lang auskosten kann.
    Du sagst ihm, er soll ganz langsam an der Innenseite deines Handgelenks lecken, und schiebst den Ärmel hoch wie ein Junkie, der sich für den Schuss bereitmacht. Gabriel schaut dich an. Beugt sich zögernd herab. Seine Zungenspitze gleitet in einer geraden, kaum spürbaren Linie deine Haut entlang. Du schließt deine flatternden Lider, lässt ein leises Keuchen hören, seine Zunge kommt zum Halt. Du ziehst ihm das Sakko aus, knöpfst ihm das Hemd auf, entdeckst ihn, seine Verletzlichkeit. Seine Brust breit wie eine Kathedrale, deine Hände messen ihre Spannweite ab wie ein Deckengewölbe, du fühlst sein galoppierendes Herz, legst deine rechte Hand darauf und spürst seinem

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