Bis auf die Haut
Frau zusammen zu sein, deren Gewebe so stark gedehnt wurde.
Du weißt nur, dass mit einem Kind dein Leben einen Schwenk machen wird wie ein Ozeandampfer, der den Kurs wechselt. Was nur zum Besten ist.
92. Lektion Der Akt der Fortpflanzung ist die höchste und
selbstloseste aller Verrichtungen des Leibes
Fünf Wochen, nachdem du und Cole euch an einem Samstagvormittag zärtlicher als je zuvor geliebt habt, übergibst du dich, während er sich die Zähne putzt, neben ihm in die Toilette, die Übelkeit wogt innerhalb von Sekunden in dir hoch. Und am nächsten Tag wird dir im Café, wo du sitzt und liest und doch nicht liest, nach einem Schluck Wasser so schlecht, dass du auf den Bürgersteig hinausrennst und in den Rinnstein kotzt. Etwas zehrt an deiner Energie, wie du es noch nie erlebt hast. Cole sagt, du solltest einen Schwangerschaftstest machen, doch du wartest lieber bis zum Wochenende, wenn ihr beide zu Hause und entspannt seid: Du möchtest ein feierliches Ereignis daraus machen. Abends kann man den Test nicht durchführen, nur morgens, weil dann die Hormonkonzentration am höchsten ist, wie du auf dem Beipackzettel liest.
Du bombardierst das Plastikstäbchen mit deinem Urin, du pisst in einem heißen, kräftigen Strahl wie ein Pferd. Zwei Streifen befinden sich in dem Stäbchen. Du schüttelst es, die Streifen können nicht herausfallen.
Positiv.
Also hat es geklappt, so schnell sollte es doch gar nicht klappen. Frauen deines Alters brauchen doch immer Monate oder verzweiflungsvolle Jahre oder schaffen es sogar nie.
Ein mächtiges Wärmegefühl breitet sich in dir aus, als du die Hand auf deinen Bauch legst. Hallo dann also, mein Winzling, der in meinem Bauch verpackt, fest in der Welt verwurzelt ist, hallo. Du verlässt das Bad und Cole nickt und lächelt und nimmt dich so fest in die Arme, dass es wehtut, und euch beiden prickeln die Tränen in den Augen.
Gewaschen, gereinigt werden, neu anfangen. Hoffst du.
93. Lektion Wenn wir nicht wohl sind, bedürfen wir der Heilung
Du rufst deine Mutter an und berichtest ihr, dass du schwanger bist. Sie freut sich nicht so überschwänglich, wie du erwartet hattest, am Unterton ihrer Stimme merkst du, dass die Nachricht ein kleiner Schock für sie ist. Du fragst dich, ob du sie irgendwie verärgert hast. Vielleicht meint sie, ein Baby würde dir Grenzen setzen, vielleicht wartet sie immer noch darauf, dass du Karriere machst. Hat Angst vor dem Alter. Kann die Vorstellung nicht ertragen, Omi genannt zu werden. Will nicht noch einmal mit einem kleinen Kind konfrontiert werden, das ihr bequemes Leben in Unordnung bringt und sie zum Babysitten zwingt. Als Teenager hattest du manchmal das Gefühl, dass sie es etwas zu eilig damit hatte, dich aus dem Nest zu stoßen: Sie hat dich oft dazu ermuntert, dir ein eigenes Zimmer zu suchen, und als du es dann getan hast, konnte sie ihren Ärger kaum verbergen, wenn du nach Hause zurückkamst, um die Waschmaschine oder die Nähmaschine zu benutzen.
So ist eure Beziehung immer, ein Auf und Ab, heute seid ihr die besten Freundinnen, morgen wechselt ihr kein Wort miteinander. Sie fragt dich, wie es dir geht. Sie erzählt dir, dass sie die ganzen neun Monate lang gekotzt hat. Sie sagt, ein Kind würde dich ruhiger machen.
Ach, wirklich?
Du fragst nicht, was sie damit meint, willst ihr kein Stichwort für eine Predigt liefern. Ihr fürchtet euch beide nicht wenig voreinander, vor den Verletzungen, die ihr einander zufügen könnt. Erst als Cole einen festen Platz in deinem Leben einnahm, hat sich etwas in eurer Beziehung verändert. Deine Mutter kennt deine wunden Punkte und stochert manchmal lustvoll darin herum, als wäre das die einzige Möglichkeit, wie sie dich noch festhalten kann. Das hat sie gelegentlich schon getan, als du noch ein Kind warst. Zum Beispiel, als in deinem Zeugnis stand,
es mangelt ihr an Initiative
, und du als Achtjährige fragen musstest, was das komische Wort bedeutet. Die ganze Kindheit und Pubertät hindurch und während deiner Dozentenkarriere und bei der Wahl deines Ehemanns hat dich deine Mutter immer wieder daran erinnert.
Es mangelt ihr an Initiative. Du legst einfach auf und musst leise grinsen, fragst dich, was sie jetzt sagen wird. In letzter Zeit hast du viel vor dich hin gegrinst; deine Mutter kann dich zwar verletzen, aber nicht mehr so tief. Denn das Baby in dir überschwemmt dich mit Freude, glättet alle Wogen.
94. Lektion Es gibt zahlreiche Spiele, die sich für drinnen
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