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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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haben einen Spruch, Doktor: ›Kein Mandant ist so gef ä hrlich wie ein unschuldiger Mann.‹ Wissen Sie, warum? «
    » Nein. Warum? «
    Er dachte einen Augenblick nach und zuckte dann die Achseln. » Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung.« Er l ä chelte reum ü tig. Ich ebenfalls. Dann griff er nach dem Telefonh ö rer und dr ü ckte einen Knopf. » Chloe, sagen Sie meine restlichen Termine f ü r heute Nachmittag ab «, sagte er. » Ja, den auch. Und setzen Sie eine Prozessvollmacht f ü r Dr. Brockton auf. Ja, der ü bliche Honorarvorschuss, zwanzigtausend.« Bei der Erw ä hnung der Summe sp ü rte ich, wie sich mein Schlie ß muskel verkrampfte. »Danke, Chloe.« Er legte den H ö rer wieder auf die Gabel. »Okay, erz ä hlen Sie «, sagte er, schlug das lederbezogene Notizbuch auf und drehte die Kappe von dem Kolbenf ü llhalter. » Fangen Sie vorne an.«
    » Wo vorne? «
    » Am Anfang vom Ende. Ab da, wo die Dinge anfingen, schiefzulaufen.«
    Ich tat wie mir gehei ß en. Ich fing mit der Leiche an, die Miranda und ich f ü r Jess auf der Body Farm an einen Baum gefesselt hatten, und erz ä hlte ihm von dem Kreationisten-Aufstand und von Miss Georgia, von Craig Willis’ tobender Mutter und von Susan Scotts rasendem Schmerz und wie s üß Jess gewesen war, als sie mich schlie ß lich zu sich einlud. Ich erz ä hlte von ihrem misstrauischen Exmann und ihrer obsz ö n in Szene gesetzten Leiche. Als ich am Ende vom Ende angekommen war – zumindest da, wo im Augenblick das Ende war –, waren zwei Stunden vergangen, der Himmel hatte sich verdunkelt, und ich sp ü rte Ersch ö pfung und Trauer durch meine Knochen sickern.

30
    Ich nahm ein Taxi von DeVriess’ Büro zum McGhee-Tyson-Flughafen und bat den Fahrer, mich an der T ü r zur Gep ä ckausgabe abzusetzen. Der Hertz-Schalter war ganz in der N ä he, und es gab keine Schlange, also fiel die Entscheidung leicht. » Ich brauche einen Mietwagen «, erkl ä rte ich der jungen Frau hinter dem Tresen.
    » Haben Sie eine Reservierung? «
    » Nein. Ist das ein Problem? «
    Ich glaubte, ihre Mundwinkel zucken zu sehen. » Sehen wir aus, als w ü rden wir von Kunden ü berrannt? «
    Ich l ä chelte. » Das k ö nnte das erste Mal f ü r heute sein, dass ich Gl ü ck habe «, sagte ich.
    Sie gab die Nummer meines F ü hrerscheins und die meiner Kreditkarte in den Computer ein, und f ü nf Minuten sp ä ter fuhr ich in einem wei ß en Ford Taurus, in meinen Augen das langweiligste Auto, das seit Jahrzehnten in Detroit vom Band gelaufen war, auf dem Alcoa Highway Richtung Norden. Doch die F üß e taten mir noch weh von meiner Wanderung zu DeVriess’ B ü ro, also war ich sehr froh ü ber das Auto, langweilig hin oder her.
    Ich fuhr an der Abfahrt zur Universit ä tsklinik und zur Body Farm – wo von jetzt an f ü r mich Jess’ Geist umgehen w ü rde – vorbei und ü berquerte den Fluss, dann nahm ich die Abfahrt Kingston Pike. Die kurvigen Stra ß en von Sequoyah Hills kamen mir fremd vor, wahrscheinlich weil sich der Taurus ganz anders fuhr als mein eigener Wagen. Doch vielleicht kamen sie mir auch fremd vor, weil meine Welt seit zwei Tagen vollkommen auf dem Kopf stand.
    Als die Polizei mein Auto sichergestellt hatte, hatten sie auch meinen Garagent ü r ö ffner mitgenommen, wie ich jetzt merkte, also musste ich den Mietwagen wohl ü ber Nacht in der Einfahrt stehen lassen, au ß er ich wollte parken, ins Haus gehen, das Garagentor von innen ö ffnen und dann reinfahren. Diese Abfolge von Handlungen, die wahrscheinlich keine sechzig Sekunden gedauert h ä tte, t ü rmte sich vor mir auf wie ein Berg. Der Taurus schien mir f ü r Autodiebe kein besonders verlockendes Fahrzeug zu sein. In den Einfahrten in diesem Teil der Stadt konnten sie schlie ß lich zwischen Audi, Mercedes, Jaguar und anderen Wagen der Spitzenklasse w ä hlen. Als Kompromiss an die Sicherheit blieb ich jedoch auf der vorderen Veranda kurz stehen, dr ü ckte auf den Funkschl ü ssel und schloss das Fahrzeug mit einem leisen Hupen ab.
    Als ich durch die Haust ü r trat, h ö rte ich und sp ü rte ich unter den F üß en das unverwechselbare Knirschen von zerbrochenem Glas. Ich schaltete das Licht im Eingang ein und sah Glasscherben auf dem Schieferboden – Dutzende von gr öß eren und kleineren Scherben – und einen Stein, der oben auf einigen St ü cken lag und an dem mit Industrieklebeband ein Zettel klebte. Ich hob die Nachricht auf und faltete sie auseinander. » Jetzt wirst du

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