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Bis aufs Blut - Thriller

Titel: Bis aufs Blut - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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glaub ich. Aber nicht mehr lang. Bald kommen wir nach Idaho.« Die Kellnerin nahm unsere Bestellung entgegen.
    »Geht’s Ihnen auch gut?«, fragte sie Bel.
    »Ja, danke, ich bin nur müde.«
    Die Kellnerin entfernte sich. »Sie glaubt, du stehst unter Drogen«, sagte ich zu Bel.
    »Ist bloß Adrenalin.«
    »Das hier ist nicht die beste Art, durch das Land zu reisen, möglicherweise aber doch die einzige Art, Amerika zu sehen. Eines Tages machen wir das mal richtig, wenn du möchtest.«
    »Liebend gern, Michael.« Sie legte den Kopf wieder auf den Tisch. »So in zehn, zwanzig Jahren.«
    »Ich war mal eine Woche lang im Auto quer durchs Land unterwegs. Ich hab auch im Auto geschlafen.«
    »Du musst dich völlig beschissen gefühlt haben.«
    Ich lächelte bei der Erinnerung. »Ich habe mich sehr, sehr lebendig gefühlt.«
    »Tja also, ich fühle mich bestenfalls halb lebendig, aber das ist immer noch besser als gar nichts.« Sie trank einen langen Schluck Eiswasser. »Weißt du, wenn ich nicht mit dir mitgefahren wäre, ich meine nach London und Schottland...«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »O Gott, Michael, ich wäre jetzt tot!« Sie hatte Tränen in den Augen. Sie sah weg, starrte aus dem Fenster und hielt sich die Hand vor den Mund. Die Hand zitterte. Als ich sie berühren wollte, sprang sie vom Tisch auf und rannte nach draußen.
    Ich lief ihr hinterher. Unser Diner war eine Trucker-Raststätte. Er hatte einen riesigen asphaltierten Parkplatz, auf dem nur ganz hinten ein paar Laster standen. Von allen vier Ecken des Geländes strahlten Flutlichtlampen auf uns herab. Unsere Kellnerin spähte aus dem Fenster zu uns hinaus.
    Bel lief mehr oder weniger im Kreis und heulte. Sie machte abwehrende Bewegungen mit den Armen, also trat ich ein paar Schritte zurück und hockte mich auf den Boden. Der Asphalt fühlte sich warm an. Ich saß mit ausgestreckten Beinen da und verfolgte den Exorzismus mit wenig Vergnügen.
    Sie redete, schrie auch gelegentlich, alles Mögliche vor sich hin. Flüche, Schimpfwörter, Verwünschungen. Schließlich stieß sie den Namen ihres Vaters aus. Es schien, als wollte sie sich ihn gewaltsam aus dem Leib zerren. Sie wiederholte ihn immer und immer wieder, bis sie einen Hustenanfall bekam. Aus dem Husten wurde ein trockenes Würgen, und sie fiel vornüber auf Hände und Knie. Ein riesiger Laster fuhr gerade mit zischenden Druckluftbremsen auf den Parkplatz. Seine Scheinwerfer erfassten die Gestalt einer Verrückten. Der Fahrer parkte wohlweislich in sicherer Entfernung.
    Schließlich, als Bel sich ein wenig beruhigt hatte, stand ich auf, ging zu ihr und legte einen Arm um sie.
    »Wie wär’s mit einem Kaffee?«, fragte ich.
     
    Am nächsten Morgen überquerten wir die Grenze nach Idaho. Auf den Autokennzeichen stand jetzt »Berühmte Kartoffeln«.
    »Kartoffeln?«, sagte Bel.
    »Kartoffeln. Wir haben es hier mit einem stolzen Volk zu tun.«
    Wir waren noch rund dreizehnhundert Kilometer von Seattle entfernt. Ich dachte, wir sollten so weit wie möglich kommen und dann noch mal übernachten, so dass wir die Stadt frisch und ausgeruht erreichen würden. Bel wollte durchfahren. Die Straße war wirklich zu ihrer Droge geworden. Als wir endlich hielten, war sie kaum in der Lage, sich zu entspannen. Selbst im Motel, vor dem Fernseher, zappelte sie noch herum. Sie ernährte sich mittlerweile nur noch von Hamburgern und Milchshakes. Ihre Haut und ihr Haar hatten einiges an Spannkraft eingebüßt, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Alles meine Schuld, sagte ich mir immer wieder. Seit dem letzten Abend schien es ihr jedoch ein bisschen besser zu gehen, als wäre sie jetzt mehr bei sich. Sie war heiser vom Schreien und hatte rote Augen. Aber ich glaubte nicht, dass sie einen solchen Zusammenbruch noch einmal haben würde. Sie wirkte selbstsicherer, härter - und war zu allem bereit.
    »Nein«, sagte ich, »wir halten irgendwo, verwöhnen uns ein bisschen, nehmen eine kleine Auszeit.«
    Die Frage war nur, wo konnte man sich im wüsten Nirgendwo zwischen Salt Lake City und Seattle verwöhnen? Einen Umweg über Portland zu machen wäre Unsinn gewesen. Die Antwort fanden wir gewissermaßen aus einem Jux heraus. Wir beschlossen, in einem Ort namens Pasco zu übernachten, und zwar lediglich aus zwei Gründen: dass er eine halbwegs annehmbare Größe zu haben schien und Bels Mutter mit Mädchennamen Pascoe geheißen hatte. Aber an der Straße ins Zentrum gab es, neben all den anderen billigen, anonymen

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