Bis aufs Blut - Thriller
Söhne.«
Hoffer las die Broschüren in der Bar des Allington Hotels durch.
Er fand das alles unglaublich. Wie konnte eine Mutter das ihrem Sohn antun? Unglaublich. Die Frauen in der Familie konnten die Krankheit in sich tragen, litten selbst aber fast nie daran. Und wenn sie sie an ihre Töchter weitergaben, konnten diese gegen sie ankämpfen. Es hing alles mit den Chromosomen zusammen. Ein Junge bekam von der Mutter das X und vom Vater das Y, während ein Mädchen zwei X-Chromosomen erhielt, von jedem Elternteil eins. Die schadhafte genetische Information steckte ausschließlich im X-Chromosom. Ein an Hämophilie leidender Mann gab sein schlechtes X-Chromosom an seine Tochter weiter, aber das gute X, das sie von ihrer Mutter bekam, hob das wieder auf. Dadurch wurde sie zu einer Überträgerin, aber nicht zu einer Bluterin. Frauen hatten zwei X-Chromosomen, Männer hingegen ein X- und ein Y-Chromosom. Deshalb hatten Jungen eine fünfzigprozentige Chance, von der Mutter das kranke X-Chromosom zu erben. Und das konnten sie nicht ausschalten, da sie kein anderes, gesundes X-Chromosom besaßen, sondern nur so ein beschissenes Y, das ihnen bei dem Kampf kein bisschen weiterhalf.
Da stand noch mehr drin - über die Königin Viktoria und die russische Zarenfamilie und Rasputin. Königin Viktoria war Überträgerin gewesen. Und man brauchte die Hämophilie auch gar nicht von dem einen oder anderen Elternoder Großelternteil zu erben: Sie konnte durchaus auch spontan auftreten. Und ein leichter Bluter hatte unter Umständen keine Ahnung, dass er an der Krankheit litt, bis er sich irgendwann einen Zahn ziehen lassen oder einem chirurgischen Eingriff unterziehen musste. Je weiter Hoffer las, desto mehr fragte er sich, ob er nicht zu einer Blutuntersuchung gehen solle. Er hatte von jeher sehr leicht blaue Flecken bekommen und sogar einmal nach einem Zahnarztbesuch tagelang Blut gespuckt. Vielleicht war er Bluter. Seiner Mutter hätte er absolut alles zugetraut.
Er wusste selbst nicht genau, was es ihm bringen sollte zu wissen, dass der D-Man vielleicht Bluter war. Es konnte genauso gut sein, dass er einen Bluter in der Familie hatte oder er einfach ein interessierter Beobachter war. Hoffer würde keinen Einblick in irgendwelche Akten bekommen, und selbst wenn, was hätte er damit anfangen sollen? Mit jedem einzelnen Kranken sprechen? Sie alle hierherschleppen und Gerry Flitch gegenüberstellen?
Apropos …
»Mr. Flitch?«
»Ja.«
Hoffer reichte ihm die Hand. »Leo Hoffer, kann ich Ihnen etwas ausgeben?«
»Danke, ja.«
Hoffer schnippte mit den Fingern, und der Barkeeper nickte. Als Hoffer das zum ersten Mal probiert hatte, war die einzige Reaktion ein so eisiger Blick vonseiten des Barkeepers gewesen, dass er sich damit einen Martini hätte mixen können. Dann hatte Hoffer ihm aber ein fettes Trinkgeld gegeben, und so war der Barkeeper jetzt sein Freund. Hoffer saß in einem butterweichen Sessel in einer dunklen Ecke der Bar. Flitch zog sich einen Stuhl heran und nahm ihm gegenüber Platz. Er strich sich das Haar wieder zurecht.
»Das war alles irgendwie... ich weiß nicht«, fing er ungefragt an zu erzählen. »Kommt nicht alle Tage vor, dass man erfährt, dass ein internationaler Terrorist einem einen Drink ausgegeben hat.«
»Kein Terrorist, Gerry, bloß ein Auftragsmörder. Was dagegen, wenn ich Sie Gerry nenne?«
»Überhaupt nicht... Leo.«
»So ist’s recht. Also, was soll’s sein?« Der Barkeeper stand schon bereit.
»Whisky, bitte.«
»Mit Eis, Sir?«
»Und bringen Sie mir bitte auch etwas Wasser.«
»Gewiss, Sir.«
Hoffer reichte dem Barkeeper sein leeres Glas. »Und für mich noch einmal das Gleiche, Tom.«
»Mit Vergnügen, Mr. Hoffer.«
Gerry Flitch sah gebührend beeindruckt aus, was auch der Zweck der Übung gewesen war. Hoffer schob seine Hämophiliebroschüren zusammen und steckte sie zwischen Armlehne und Sitzpolster seines Sessels - ein toller Sessel, richtig schön geräumig und verdammt bequem. Er fragte sich, ob er den dem Hotel abkaufen und vielleicht als Luftfracht aufgeben könne.
»Sie sagten, Sie wären Privatdetektiv, Leo.«
»Stimmt, Gerry.«
»Und die Polizei meinte, Sie wären ganz schön bekannt.«
»In den Staaten vielleicht.« Gut. Flitch hatte, wie empfohlen, Bob Broome angerufen, um Hoffers Referenzen zu überprüfen. »Schön, dann erzählen Sie mir doch von Samstag, Gerry. In aller Ruhe, ich will Ihnen nur zuhören.«
Barkeeper Tom kam mit ihren Drinks, und
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