Bis aufs Blut - Thriller
richtig, ich rede von den Mock-ups , die wir immer vorab machen, besonders mit Neulingen - Probe-›Sendungen‹, die dann aber nie gesendet werden. Lainie hat’s spielend durchgezogen. Man könnte sagen, sie wandelte auf dem Wasser. Mir war klar, sobald wir sie auf den Bildschirm gebracht hätten, würde sie sich... na ja, nicht direkt Feinde machen, aber es würde schon gewisse Ressentiments auf seiten anderer Moderatorinnen und Moderatoren geben, denn sie würde ihnen zeigen, wie man den Job richtig machte.« Er schüttelte den Kopf und beruhigte sich ein bisschen. »Es ist ein großer Verlust.«
Es klang so, als betrachtete er sie als eine fehlgeschlagene Investition.
»Wie steht’s mit ihren Angehörigen?«, fragte ich. »Kannten Sie sie?«
»O ja, ich kannte sie wohl so gut wie kaum jemand.«
»Das bedeutet?«
Draper seufzte, als ob er normalerweise nicht tratschen würde, aber da wir nun einmal die Polizei waren, ihm nichts anderes übrig bliebe.
»Freddy macht es einem schwer, ihn zu mögen, Inspector. Ich meine, sein Stern hängt so tief, dass er schon Furchen über den Acker zieht. Und das steckt Freddy nicht gut weg. Er spielt noch immer gern den Soap-Star. Haben Sie ihn jemals in Stand By Your Man gesehen? Das war nicht gerade anspruchsvoller Stoff. Außerdem ist das schon zehn Jahre her - was Freddy nicht kapieren zu wollen scheint. Er sieht, wie diese ganzen ollen Sitcom-Kamellen in der Glotze wiederholt werden, und seine Sachen sind nicht dabei. Was, beiläufig gesagt, niemanden wundert. Und gleichzeitig sieht er, wie seine Frau ins Fernsehen einsteigt, und ich erzähle ihr lang und breit, wie großartig sie sich da machen wird. Da kann man schon verstehen, dass es nicht leicht für ihn ist.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Gab es Streit zwischen den beiden?«
»Andauernd.«
»Worüber?«
»Über alles, was Sie sich nur vorstellen können. Möchten Sie ein Beispiel hören?« Ich nickte. »Okay, Freddy hat ihre gemeinsamen Ersparnisse für einen Trip nach Hollywood auf den Kopf gehauen. Er hoffte, dort Arbeit zu finden, aber als er zurückkam, hatte er lediglich ein braun gebranntes Gesicht und ein paar Streichholzbriefchen von teuren Restaurants vorzuweisen. Lainie hat vor Wut geschäumt.« Er schwieg kurz. »Hören Sie, Freddy hätte nie im Leben einen Killer auf Lainie angesetzt, das will ich damit überhaupt nicht sagen. Sie haben sich gestritten, aber handgreiflich sind sie nie geworden. Sie haben sich nicht mal richtig angeschrien. Sie kochten bloß so leise vor sich hin und wechselten wochenlang kein Wort miteinander. Ich meine lediglich, sie führten nicht gerade die ideale Ehe. Aber wer tut das schon?«
Bel hatte eine Frage. »Was hielten Sie menschlich von Ms. Ricks, Mr. Draper - mochten Sie sie?«
»Ob ich sie mochte? Ich liebte sie. Ich hätte mir nichts Besseres gewünscht, als...« Er verstummte und schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht.« Seine Augen füllten sich mit Tränen, aber andererseits hatte er seit wer weiß wie lange tagein, tagaus mit Schauspielern zu tun. Irgendetwas musste ja hängen bleiben.
»Sie hatte einen Sohn«, half ich nach.
»Stimmt, einen nichtsnutzigen Schaumschläger namens Archie. Und ich sag Ihnen was - der ist mit einundzwanzig Millionär.«
»Was macht er?«
»Er ist in einer Band, programmiert Sampler, so Sachen eben.«
»Elektronik.«
»Ja. Dass die Band es zu was bringt, kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe mir aus Höflichkeit mal ihre Sachen angehört, für den Fall, dass wir was davon als Soundtrack für unsere Sendungen gebrauchen könnten. Können Sie vergessen. Aber Archie ist ein Genie, auf seinem begrenzten Gebiet. Ich kann ihn mir gut als Musikproducer vorstellen, und damit wird er ein Vermögen machen.«
»Mr. Draper, ich weiß, dass Ihnen diese Frage schon von meinen Kollegen und wahrscheinlich auch von den Medien gestellt worden ist, aber haben Sie eine Idee, wer sich Eleanor Ricks’ Tod gewünscht haben könnte?«
Er schüttelte den Kopf. »Das kann nur ein Versehen gewesen sein. Der Dreckskerl war offensichtlich auf Prendergast oder den Ausländer aus. Kann gar nicht anders sein.«
»Sie hatten Ms. Ricks den Auftrag gegeben, Molly Prendergast zu interviewen?«
»Nein, es war Lainies Idee. Ich meine, sie hatte die ganze Sendung in der Hand. Es war von A bis Z ihre Story, mit einem minimalen Input meinerseits. Sie sagte, sie wolle den und den Kurs einschlagen, wir unterhielten uns darüber, und dann
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