Bis aufs Blut - Thriller
glauben Sie mir.«
Also war ein Geschäftsessen in einem Restaurant fällig gewesen, in dem die Beschreibungen der einzelnen Gerichte auf der Speisekarte mehr Platz einnahmen, als anschließend die Gerichte selbst auf dem Teller. Nach dem Lunch hatte Hoffer sich noch anderswo einen Hamburger reinziehen müssen. Joe Draper fand das wahnsinnig komisch. Es sah ganz danach aus, als ob heute jeder Hoffer zu seinem Lieblingskomiker erküren würde. Draper wollte nach New York kommen und Hoffer bei der Arbeit begleiten, ganz im »Fly-on-the-wall«-Stil.
»Das könnten Sie nie senden, Joe. Das meiste von dem, was ich tue, ist nicht familientauglich.«
»Wir können jederzeit schneiden.«
Schon ziemlich am Anfang ihrer Bekanntschaft hatten Draper und Hoffer eine wichtige Gemeinsamkeit festgestellt. Vielleicht lag es an Hoffers dauerndem Schniefen und Naseputzen und Über-Sommerallergien-Fluchen. Draper hatte als Erster etwas Nasenpuder vorgeschlagen, und Hoffer hatte sein Laguiole gezückt.
»Hübsche Klinge«, sagte Draper, während er in eine Schublade seines Schreibtischs griff und einen Spiegel hervorholte …
So dauerte es alles in allem schon ein Weilchen, bis Hoffer tatsächlich dazu kam, nach Eleanor Ricks zu fragen.
»Lainie«, sagte Draper im Restaurant, »war eine Löwenbändigerin, glauben Sie mir. Ich meine, im Berufsleben. Gott, das ist der beste pâté , den ich jemals gekostet habe!«
Hoffer hatte seine salade langoustine schon aufgegessen. Er goss sich ein Glas weißen Burgunder ein und wartete.
»Sie war toll, wirklich«, fuhr Draper fort, während er Brot butterte, als wäre er ein Küchengehilfe. »Ohne sie haben sich drei meiner anstehenden Projekte in Rauch aufgelöst.« Er zerquetschte etwas Gänseleberpastete auf der Brotscheibe, faltete diese zusammen und steckte sie sich in den Mund.
»Wie viel würde ich für diesen Dokumentarfilm bekommen?«, fragte Hoffer.
»Himmel, wir reden noch nicht von Geld, Leo. Wir müssen eine Kalkulation erstellen, dann das fertige Paket den Geldgebern vorlegen. Das letzte Wort haben die .«
»Woran arbeitete Eleanor gerade, als sie starb?«
»An den Disciples of Love.«
»Ich glaube, ich hab den Film gesehen.
»Das ist kein Film, das ist eine Sekte.« Also musste Draper jetzt einiges darüber erzählen. »Ich hab Infomaterial im Büro. Ich sollte es eigentlich verkaufen, nicht einfach so verschenken. Zwei Detectives waren da und haben zwei Kopien mitgenommen, zusätzlich zum halben Dutzend, das ich sowieso schon verteilt hatte. Hat sich aber gelohnt. Die eine hat vorgeschlagen, dass Molly Prendergast Lainies Disciples-Projekt fortsetzen könnte.«
»Das ist die Frau, mit der sie zusammen war, als sie erschossen wurde?«
»Genau.«
»Und wer waren diese zwei Detectives?«
»Der Mann hieß Inspector Best.«
»West?«, schlug Hoffer vor. »Und seine Kollegin war eine gewisse Harris?«
»Ach, Sie kennen die beiden?«
»Allmählich kommt es mir so vor«, antwortete Hoffer. »Haben die sich danach erkundigt, welche Farben Ms. Ricks am liebsten trug?« Draper nickte.
»Geradezu unheimlich!«, meinte er.
»Das ist so eine angeborene Fähigkeit - meine Großmutter war Hellseherin. Joe, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir alles geben könnten, was die beiden bekommen haben.«
»Sicher, gar kein Problem. Aber jetzt reden wir über Sie...«
Nach dem Lunch und dem Hamburger-Nachtisch gingen sie zurück in Drapers Büro, um das »Disciples of Love?«- Dossier zu holen und sich eine abschließende Nase reinzuziehen. Hoffer gab Draper seine Geschäftskarte, sagte aber, der Produzent solle erst anrufen, wenn er konkrete Zahlen habe.
»Und nicht vergessen, Joe, ich rechne nach Stunden ab.«
»Genau wie alle Nutten, die ich kenne. Was aber nicht heißt, dass sie keine guten Menschen wären.«
Die Fernsehsendung sollte am Spätnachmittag aufgezeichnet und am folgenden Morgen ausgestrahlt werden. Hoffer ging in sein Hotel zurück, um sich zu waschen und umzuziehen. Er hatte sich für den Anlass ein paar neue Sachen gekauft und darauf spekuliert, dass er sie wahrscheinlich als Betriebskosten würde absetzen können. Er schaute in den Spiegel und fühlte sich wie ein Hochstapler. Er sah gut aus. Der Anzug war bequem geschnitten, ein Ding aus dunkelblauer Wolle. Sogar die Hose war gefüttert, wenn auch nur bis zu den Knien. Diese Londoner Schneider beherrschten wirklich ihren Job. Und mit Preisen kannten sie sich auch aus, die Ärsche.
Mit dem weißen Hemd
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