Bis aufs Blut - Thriller
denen einige, durchweg Frauen, gerade mithalfen, den VW-Bus zu entladen. Als wir hielten, nickte uns der Fahrer des Busses zu. Ich stieg aus.
»Sie wollen also doch ein Angebot machen?«, fragte er und verpasste dem VW-Bus wieder einen Klaps.
Aus der größten Hütte trat ein älterer Mann. Er forderte uns mit einer Geste auf hereinzukommen.
Innen war die Hütte spartanisch eingerichtet, aber auch nicht spartanischer als viele Junggesellenwohnungen oder Hotelzimmer. Die Möbel wirkten selbstgeschreinert. Auf einem Tisch stand eine Lampe. Ich strich mit der Hand über ihren knorrigen Holzfuß.
»Sie sind also der Schreiner?«, sagte ich und wusste jetzt, warum man uns erwartet hatte.
Der Mann antwortete mit einem Nicken. »Setzt euch«, sagte er. Er selbst nahm nicht auf einem Stuhl Platz, sondern ließ sich auf dem Fußboden nieder. Ich machte es ebenso, aber Bel griff sich einen Stuhl. An der Wand über dem Kamin hing ein großes Foto eines mild dreinblickenden Jeremiah Provost. Er sah jünger aus als auf manchen der Zeitungsfotos, die ich gesehen hatte. An einer anderen Wand hing ein Bildteppich, und auf diesem eine Uhr, deren Zifferblatt aus einer Baumscheibe bestand.
»Ihr habt euch nach dieser Gemeinschaft erkundigt«, sagte der Mann, ohne Zeit mit Vorstellungen zu vergeuden.
»Ist das ein Verbrechen?«, fragte Bel. Er richtete den Blick auf sie. Seine Augen waren geringfügig weiter geöffnet als normal, als wäre er Zeuge eines Wunders gewesen, das er noch immer nicht ganz begreifen konnte. Er trug einen langen, von Silbersträhnen durchzogenen Bart. Ich fragte mich, ob die Länge des Barts in dieser Kommune etwas über den sozialen Status des jeweiligen Trägers aussagte. Das Gesicht des Mannes hatte diese typische Frischluftbräune, die das ganze Jahr über hält, und er war in Arbeitskluft, bis hin zu den schweren Arbeitshandschuhen, die aus dem Bund seiner ausgebeulten braunen Kordhose ragten. Sein Haar war schütter und fettig und stark angegraut. Er musste in den Vierzigern sein und machte den Eindruck, als wäre er nicht schon immer Schreiner gewesen.
»Nein«, sagte er, »aber es ist uns lieber, wenn sich Besucher erst vorstellen.«
»Das lässt sich leicht nachholen«, meinte Bel. »Ich bin Belinda Harrison, und das ist ein Freund von mir, Michael Weston. Wer sind Sie?«
Der Mann lächelte. »Ich höre Angst und Zorn in deiner Stimme, Belinda. Es klingt so, als würden dich diese Gefühle beherrschen. Nützen können sie dir aber, wenn überhaupt, nur dann, wenn du sie beherrschst.«
»Solche Sprüche hab ich schon dutzendweise in Frauenzeitschriften gelesen, Mr....«
»Ich heiße Richard, einfach nur Rick.«
»Rick«, sagte ich, meine Stimme ganz Honigseim und Diplomatie, »Sie gehören zu den Disciples of Love, stimmt’s? Denn andernfalls wären wir hier am falschen Ort.«
»Du bist da, wo du sein willst, Michael.«
Ich wandte mich zu Bel. »Dann frag ihn, Belinda.«
Sie nickte knapp. »Ich bin auf der Suche nach meiner Schwester, sie heißt Jane.«
»Jane Harrison? Du glaubst, dass sie hier ist?«
»Ja, das glaube ich.«
»Und wie kommst du darauf?«
»Als sie durchgebrannt ist, habe ich mich in ihrem Zimmer umgesehen, und sie hatte Artikel aus Zeitungen und Illustrierten gesammelt, die alle von den Disciples of Love handelten.«
»In einem davon«, fügte ich ruhig hinzu, »stand, Ihre sei die einzige Niederlassung der Sekte in Großbritannien.«
»Tja, Michael, das stimmt, allerdings planen wir, bald einen neuen chapter in Südengland zu gründen. Kennst du London eigentlich?«
»Wir kommen gerade von dort.«
»Meine Heimatstadt«, sagte Rick. »Wir hoffen, ein Stück Land zwischen Beaconsfield und Amersham kaufen zu können.«
Ich nickte. »Beaconsfield kenne ich. Wäre es vielleicht möglich, dass Jane dort ist und mithilft, diesen neuen … chapter aufzubauen? Ich gehe davon aus, dass sie sich hier nicht befindet, sonst hätten Sie es ja wohl gesagt.«
»Nein, wir haben hier niemanden mit Namen Jane. Wenn ich wüsste, wie sie aussieht, würde es die Sache vielleicht erleichtern.«
Bel zog ein Foto aus der Tasche und reichte es ihm. Während Rick es sich ansah, beobachtete ich sein Gesicht. Es war das Foto, das wir aus der Wohnung in Upper Norwood mitgenommen hatten, das, auf dem Scotty Shattuck mit seiner Freundin zu sehen war.
»Das ist sie«, sagte Bel, »vor ungefähr einem Jahr aufgenommen.«
Rick starrte weiter auf das Foto und schüttelte dann den Kopf.
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