Bis dass der Tod euch scheidet
suchte Augenkontakt zu Tony, doch der sah stur auf seinen Teller und schwieg. Eine elendig lange Zeit.
Dylan seufzte laut.
„Wieso sagst du nichts?“ Sein Blick heftete sich auf Tony. Es war wohl das Beste, direkt zum Thema zu kommen „Hast du das Video schon gesehen?“
Tony nickte still, während er sich kurz erhob und einen Nachschlag auf die Teller verteilte.
„Aber, wieso sagst du denn nichts?“, bohrte Dylan weiter. Er ahnte nichts Gutes. „Kann man was erkennen?“
Tony atmete hörbar aus. Als er fertig war nahm er wieder Platz.
„Ja, man kann was erkennen … und zwar so einiges. Carol konnte sich nur die Hälfte ansehen und ist vorzeitig gegangen.“
Dylan schluckte verkrampft. Oh, er hatte es geahnt! Kurz wechselte er einen Blick mit Angus. Der blinzelte ihm beruhigend zu.
„Ich weiß Bescheid, falls es nichts ausmacht. Ihr könnt offen reden.“ Er aß weiter und mischte sich nicht ein.
„Ist es sehr schlimm, was man sieht?“, erkundigte sich Dylan. Ihn machte es fast wahnsinnig, dass er Tony alles aus der Nase ziehen musste, und der sich in dieser Angelegenheit plötzlich so wortkarg gab.
„Nun, würdest du das Video an einen Pornoproduzenten verkaufen, dann könntest du höchstwahrscheinlich eine Menge Geld damit machen, aber Fahlstrøm ins Gefängnis bringen … wirst du damit nicht.“
„Was?“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. Es war unschwer zu erkennen, dass er mit einer anderen Antwort gerechnet hatte.
„Hast du denn wirklich alles gesehen? Hast du genau hingeguckt, was er gemacht hat? Es muss doch irgendetwas zu sehen sein, womit man ihn belangen kann …“
Tony atmete tief durch und holte dann aus. Dabei klang er unterschwellig gereizt.
„Ich habe mir alles angeguckt. Und man kann sehen, wie du mit Fahlstrøm gesoffen hast. Ich habe mitgezählt. Du hast ungefähr dreimal soviel getrunken wie er. Man sieht wie du herumtorkelst, wie du besoffen auf dem Bett liegst und dich bereitwillig ausziehen lässt und noch herzlich dabei lachst …“
Er machte eine kurze Pause, in der Dylan wie angeklagt den Blick senkte, und fuhr fort:
„Man sieht, wie du dich anstandslos vögeln lässt, in sämtlichen Positionen, auf dem Bett und auf dem Sofa und mindestens zweimal dabei abspritzt und dich kein einziges Mal wehrst.“
Unzufrieden schüttelte er den Kopf.
„Okay, Fahlstrøm ist nicht gerade zimperlich mit dir umgesprungen, aber dass alles gegen deinen Willen passiert ist, davon wirst du keinen Richter der Welt überzeugen können.“
„Oh, no! Das kann doch nicht sein!“ Dylan fuhr sich betroffen über das Gesicht. Er konnte und wollte einfach nicht glauben, dass es so gewesen war und die Videoaufnahmen völlig nutzlos waren.
„Ist denn wirklich alles drauf? Ich meine ... Er hat mich doch verletzt ...“
„Das ist mit Sicherheit nicht absichtlich passiert.“ Da war sich Tony sicher. „Jedenfalls kann man das nicht erkennen. Und Fahlstrøm ist nun wirklich … wie soll ich sagen … nicht schlecht ausgestattet. Du hast wahrscheinlich erst danach geblutet, als es vorbei war. – Und es ist alles drauf, bis zum Schluss. Bis er sich anzieht, dir eine Decke überlegt, das Licht löscht und das Zimmer verlässt.“
Er sah Dylan mitfühlend an, seine Stimme klang allerdings tadelnd. „Sorry, aber das Video kannst du als Wichsvorlage in deinen Schrank stellen … Als Beweismittel taugt es rein gar nichts.“
Dylan seufzte tief. Was hatte er bloß wieder getan? „Es tut mir leid, dass du das ansehen musstest. Ich hätte es dir gerne erspart. Ich dachte wirklich, dass es uns weiterbringen könnte …“
„Um mich muss es dir nicht leid tun“, konterte Tony. „Ich verstehe dich nur nicht. Wie konntest du dich so hemmungslos benutzen lassen? Von diesem Kerl? Das will mir nicht in den Kopf hinein.“
Dylan schwieg. Er war regelrecht schockiert. Und sein Freund hatte zudem recht. Wie konnte er nur wieder dermaßen die Kontrolle über sich verlieren?
Nach dieser Erkenntnis war ebenso eine Entschuldigung bei Carol fällig. Ihre Funktion als neutrale Betrachterin hatte nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Im Gegenteil: Offensichtlich hatte sie beim Anblick der Videoaufnahmen den Raum verlassen, war nicht fähig gewesen alles bis zum Schluss mit zu verfolgen.
Sie wohnte nicht weit, hatte sich über ihrer Praxis eine Wohnung wundervoll eingerichtet. Wann immer sie allerdings von der Band RACE und vor allem von Dylan gebraucht wurde, schloss sie ihre
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