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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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zu menschlichen Gebilden geformt hatte. Die Bilder gefielen mir, und ich fühlte eine gewisse Nähe zu der Künstlerin. Aber ich blieb nicht stehen, um mir Chrystals Arbeiten anzuschauen. Ich hatte dringendere Dinge zu erledigen.
    Wegen meiner Wutprobleme versuchte ich, meine Gedanken an einen ruhigeren Ort zu bringen, um mich auf meine Begegnung mit einem Mann vorzubereiten, der ein Mörder sein konnte. Ich hatte nicht die Zeit für eine Gehmeditation, also beschloss ich, an jemanden zu denken, der mir das Gefühl von Ruhe vermittelte. Dabei ging mir auf, vielleicht zum wiederholten Mal, dass es unter meinen Bekannten nur wenige Inseln des Gleichmuts gibt.
    Ich dachte an Twill, doch dann fiel mir wieder sein aufgeblasenes Konto ein, das da lag wie eine fette Made auf totem Fleisch. Dann war da Katrina, mit der ich seit vierundzwanzig Jahren verheiratet war und die eine Affäre mit einem Schulfreund meines zweiten Sohnes hatte. Das wiederum brachte meine Gedanken auf meine Exfreundin Aura – und an die wollte ich definitiv nicht denken. Schließlich fand ich mein Gleichgewicht wieder, indem ich an Harris Vartan dachte. Der war zumindest eindeutig und stabil. Mein Onkel Harry bat den Sohn eines guten Freundes um einen Gefallen.
    Als ich an die cremefarbene Tür kam, beschloss ich, William Williams zu finden, einfach nur deshalb, weil der Mobster der Einzige war, der mich nicht beunruhigte.
    Ich klopfte an.
    »Kommen Sie herein«, sagte eine raue Stimme auf der anderen Seite. Es gab keinen erkennbaren Akzent, doch die Worte schienen nach einem zu verlangen.
    Ich öffnete die Tür und betrat ein, man kann es nicht anders sagen, kackbraunes Zimmer. Durch die geschwungenen Linien wirkte der riesige Mahagonischreibtisch wie ein dunkles Nilpferd, das auf dem fleckigen Eichenboden hockte. Die Bücherregale hinter dem Schreibtisch waren aus Ebenholz, die Bücher darauf waren alle in dunkelbraunes Leder gebunden und steckten in Schubern aus demselben Material in derselben Farbe.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch war mal sehr dunkel gewesen. Haare, Augen und Anzug waren braun. Er war auf muskulöse Weise rundlich, und wie die Frau, die früher am Tag in mein Büro gekommen war, ähnelte er sehr jemand anderem.
    »Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Mr. McGill?«, fragte er.
    »Darf ich mich setzen?«
    Ich wies mit einer Kopfbewegung auf einen großflächigen Holzstuhl, der vor all dem Dunkelbraun weiß gewirkt hätte, wenn er nicht mit Dutzenden verschiedener Brandzeichen angesengt worden wäre. Diese Siegel und Zeichen verliehen dem Stuhl einen dunkleren Farbton und ließen ihn fast lebendig erscheinen.
    »Bitte sehr«, sagte der zweite Blender zu mir.
    Der Stuhl hatte breite Armlehnen. Ich nutzte sie.
    »Und?«, fragte der Mann.
    Die einzige Farbe, die sich von der Familie Braun absetzte, war der blassblaue Himmel, der das Fenster hinter seinem Rücken und zu seiner Linken ausfüllte. Ich betrachtete das Relief des Himmels und entgegnete: »Was ›und‹?«
    »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Keine Ahnung. Haben Sie einen Vorschlag?«
    »Sie haben doch um dieses Treffen gebeten«, sagte er, und ein leichter Südstaatenton mischte sich in seine Worte.
    »Eigentlich nicht«, erwiderte ich und genoss die Akkuratesse der vagen Bemerkung.
    »Sind Sie denn nicht der Privatdetektiv – Leonid Trotter McGill?«
    Die Tatsache, dass er meinen zweiten Namen kannte, bedeutete entweder, dass man Nachforschungen über mich angestellt hatte oder Phil sofort Bericht erstattet hatte, sobald er außer Hörweite gewesen war.
    »Das bin ich«, bestätigte ich.
    »Und hat Ihre Sekretärin nicht angerufen, um ein Treffen mit Cyril Tyler zu arrangieren?«
    »Zephyra, ja, hat sie.« Vielleicht hatte sie meinen ganzen Namen genannt.
    »Und wie kann ich Ihnen nun behilflich sein?«
    »Sie könnten mal den richtigen Mr. Tyler aus dem Hut zaubern und mit diesem Quatsch aufhören.«
    Der braune weiße Mann mochte mich nicht. Sein nun wütender Blick ließ an dieser Tatsache keinen Zweifel.
    Ich schlug das rechte Bein über das linke und lehnte mich gemütlich zurück. Es war eine Erleichterung, in der Gesellschaft von jemandem zu sein, der ebenfalls Probleme damit hatte, seine Wut im Griff zu haben.
    Er stand auf, und einen Augenblick lang dachte ich leichthin, ob er wohl eine Waffe bei sich hatte.
    Statt mich zu erschießen, stapfte der wütende Mann mit dem unterdrückten Akzent aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
    Ich blieb

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