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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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ich. »Ich glaube, sie macht sich Sorgen wegen des Colliers. Sie hat mir ein, zwei Hinweise gegeben, aber die endeten in einer Sackgasse. Meiner Meinung nach war die beste Möglichkeit, die Probleme zu lösen, hierherzukommen und Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte er. »Von welchem Nutzen können Sie denn sein, wenn sie Ihnen nicht vertraut?«
    »Ich habe mich mit Ihnen getroffen. Das kann ich ihr berichten. Ich kann sagen, ich hätte Sie wegen des Colliers gesprochen. Vielleicht wird sie das davon überzeugen, reinen Tisch zu machen.«
    »Glauben Sie, sie hat Sie angelogen?«
    »Niemand erzählt die volle Wahrheit«, erwiderte ich, »nicht mal einem Fremden.«
    »Ich zahle Ihnen hunderttausend Dollar, wenn Sie sie finden, Mr. McGill.«
    Ein paar Sekunden lang war mein Verstand so pink wie die Flurwände außerhalb der kackbraunen Tür.
    Ich musste mich räuspern, bevor ich sagen konnte: »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Sie sind nicht mein Klient.«
    »Was wollen Sie dann von mir?«
    »Ist das Collier mit den Rubinen und Smaragden verschwunden?«
    »Ich habe keinen Überblick über Chrystals Sachen.«
    »Ist sie verschwunden?«
    Er hielt inne, dann antwortete er. »Seit sechs Tagen.«
    Ich öffnete die verschränkten Hände, stützte mich auf die Stuhllehnen und richtete mich auf.
    »Es wäre ein entschiedener Interessenkonflikt, zuzulassen, dass Sie mir Geld dafür geben, um Ihnen den Aufenthaltsort zu verraten«, sagte ich. »Aber … aber ich würde zehntausend Dollar akzeptieren und ihr eine Nachricht überbringen.«
    »Eine Nachricht?«
    »Soll ich ihr etwas ausrichten … oder einen Brief zustellen?«
    Cyril Tylers Gesicht war offen wie ein Buch. Er war verwirrt und besorgt, aber auch voller Hoffnung, auch wenn er wohl argwöhnte, dass ich nicht ganz ehrlich zu ihm war.
    »Ich brauche sie, Mr. McGill«, erklärte er. »Es war in letzter Zeit wirklich etwas schwierig, aber das hat nichts mit unserer Beziehung oder mit ihr zu tun.«
    »Vielleicht sind Sie derjenige, der eine Affäre hat«, riet ich. »Vielleicht hat sie das dazu getrieben, selbst Fehler zu machen.«
    »Ich? Eine Affäre? Niemals.«
    »Ich möchte Ihnen helfen, aber ich arbeite für Ihre Frau«, log ich doppelt. »Für Zehntausend überbringe ich eine Nachricht. Ja oder nein.«
    »Nehmen Sie einen Scheck?«
    »Nein.«
    Er seufzte, stand auf, ging zu der Tür, durch die ich hereingekommen war, und ging hinaus in die grellbunte Flur-Galerie.
    Nachdem er verschwunden war, schloss ich halb die Augen und zählte die Atemzüge, bis er vielleicht zehn Minuten später wieder auftauchte. Er reichte mir einen weißen, verschlossenen Umschlag und ein Bündel neuer Hunderter.
    »Ich erwarte eine Gegenleistung«, erklärte er.
    »Ich werde die Nachricht überbringen. Mehr kann ich nicht versprechen. Wollen Sie mir noch etwas sagen?«
    »Was denn?«
    »Na, warum sie gegangen ist? Vielleicht … wovor sie Angst haben könnte?«
    »Nicht vor mir, falls Sie darauf hinauswollen. Ich liebe Chrystal.«
    »Ich liebe Hamburger«, entgegnete ich. »Aber wenn das Essen vorbei ist, ist das Ding verschwunden.«
    »Chrystal ist kein Hamburger.«
     
    Wir trennten uns in der braunen Bibliothek. Ich ging an Chrystals Gemälden vorbei ins gläserne, nun verwaiste Büro. Ich schlenderte über den Rasen zum Privatlift hinüber, dann den leeren Flur entlang zum zweiten Fahrstuhl.
    Der hellbraune Türsteher ignorierte mich, als ich auf die Straße hinaustrat.
    Zwei Blocks weiter riss ich den Umschlag auf und las die schnell hingekritzelte Nachricht. Chrystal, ich liebe Dich und wäre niemals wütend wegen irgendeiner Deiner Taten oder Fehltritte.
    Ich war erstaunt über den juristischen Ton dieser Nachricht, aber das tat nichts zur Sache. Ich bin weder Verleger noch Lifecoach. Meine Aufgabe ist, und das war sie immer, Leuten Geld abzuknöpfen, um entweder ihre Ängste zu besänftigen oder die Flammen ihrer Wut anzufachen.
    Es gibt schlimmere Seiten meines Berufs.

9
    Cyril Tylers verborgenes Anwesen lag nur neun Blocks von meiner Wohnung entfernt. Die Tatsache, dass es nicht Stadtgespräch war, bewies, welch ungeheuren Einfluss er hatte – und dass er gewillt war, ihn zu nutzen.
    Ich schaffte es in neun oder zehn Minuten zu meinem Gebäude, dann nahm ich zügig die Treppe zu der Wohnung im zehnten Stock. Ein Mann in meinem Beruf sollte in der Lage sein, zumindest ein paar Treppen hinaufzulaufen, wenn die Situation es verlangte.

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