Bis dass der Tod uns scheidet
unterkommt. Ich befinde mich in einem brennenden Gebäude in einer der oberen Etagen, und es gibt keinen Ausweg …
Der Türsteher trug eine makellose, rot und blau abgesetzte Uniform. Die Kostümierung unterschied ihn keinen Deut von anderen seiner Zunft, doch die pingelige Aufmerksamkeit, die er den kleinsten Details widmete, sprach Bände.
Der Mann war milchkaffeebraun und sicherlich fünfzehn Zentimeter größer als ich. Er stellte sich am oberen Ende der Steintreppe in die Tür, um mir den Weg zu versperren. In seinen Augen hätte ich genauso gut ein Bursche in knallrotem T-Shirt und schlabbernden Jeans sein können.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er.
Er hatte eine wunderschöne Stimme. Wenn seine Mutter besser aufgepasst oder sein Vater mehr Verständnis aufgebracht hätte, dann hätte er in diesem Augenblick auf der Bühne einer Oper in Cleveland oder vielleicht Orlando stehen können. Stattdessen hielt er mir seinen dicken Bauch vors Gesicht und bot einen lebenden Schutzschild für seine Vorgesetzten.
»Ich habe eine Verabredung mit Cyril Tyler. Leonid Trotter McGill.«
»Wer?«
»Über welches ›wer‹ wollen Sie was wissen?«
»Wie bitte?« Er konnte gut mürrisch brummen, aber ich hatte einen guten linken Haken, zeigte mich also nicht beeindruckt.
»Ich habe zwei Namen genannt«, erklärte ich. »Und als Antwort darauf haben Sie mich ›wer‹ gefragt.«
»Ich habe noch nie von einem Cyril Tyler gehört.«
»Dann ist dies entweder Ihr erster Arbeitstag oder Sie sind dumm.«
Er trat eine Stufe tiefer.
»Wozu Blut und Zähne verlieren, wenn du einfach nur einen Hörer in die Hand nehmen kannst, Bruder?«, fragte ich.
Manchmal wirkt eine freundliche Stimme nur umso bedrohlicher.
Er sah mich an. »Warten Sie hier.« Dann verschwand er in seinem kleinen Vorraum, um nachzufragen.
Ich fragte mich, ob Cyril Tyler einen Privateingang hatte, ob er jemals zur Vordertür hinein- oder hinausgegangen war.
Ich holte tief Luft, dann noch einmal. Ein Ereignis jagte das andere, und langsam verlor ich die Kontrolle über meine Nerven. Wie Ihnen jeder Boxer sagen kann, muss man im Kampf zwar heiß bleiben, aber es dürfen einem nicht die Sicherungen durchbrennen.
»Nehmen Sie den Fahrstuhl in den achtzehnten Stock«, erklärte der Türsteher und riss mich aus meinen Gedanken. »Wenn Sie aussteigen links, den Gang runter zum nächsten Fahrstuhl, dann eine Etage höher.«
»Das ist eine Etage mehr, als Sie haben«, meinte ich.
Big Red antwortete nichts darauf, sondern trat nur beiseite und ließ mich eintreten.
Der Knopf für das achtzehnte Stockwerk leuchtete bereits, als ich den winzigen Fahrstuhl betrat. Es hatte wohl nicht jeder Zutritt zum obersten Stockwerk. Ich fuhr ohne Unterbrechung hinauf und trat hinaus auf einen Gang voller Apartments ohne Türen, es gab weder Möbel noch Bewohner. Eine ganze Etage Leerstand in einer Gegend, in der die Miete für eine Ein-Zimmer-Wohnung zwischen drei- und fünftausend Dollar lag. Die falsche Chrystal hatte nicht gelogen, als sie über Tylers Reichtum spottete.
Die hellgrüne Farbe an der zweiten Aufzugtür wies Risse auf und platzte an manchen Stellen bereits ab. Darunter rostete das Metall. Das erinnerte ein wenig an die Stahlbilder der echten Chrystal.
Es gab keine Knöpfe, doch als ich mich näherte, ging die Tür auf und schloss sich hinter mir. Die Fahrt überbrückte kaum mehr als die Entfernung zwischen Boden und Decke, und als die Tür aufging, fand ich mich am Rand eines breiten, hellgrünen Vorortrasens wieder.
Auf der anderen Seite der ausgedehnten Fläche stand ein überdimensionales Haus im Ranch-Stil mit verglaster Veranda und einem roten geziegelten Schornstein.
»Mr. McGill?«, fragte jemand von rechts.
Der junge Mann war schlank und wäre nur von einem rassenfixierten Amerikaner afro-amerikanisch genannt worden. Seine Haut war heller als die so mancher Mittelmeerbewohner, sein Haar lockig, aber hellbraun. Seine Gesichtszüge verrieten, dass er von meiner Art war: breite Nase, pralle Lippen. Sein Gesichtsausdruck verriet mir allerdings, dass wir nichts gemein hatten.
»Ich bin Phil«, sagte er, und schon allein dieser Satz klang aus seinem Mund herablassend. »Sie wünschen Mr. Pelham zu sprechen?«
Ich ließ mir als Reaktion auf seine herablassende Art einen Augenblick Zeit mit der Antwort.
Phil trug einen blass lavendelfarbenen Anzug und roch nach Veilchen. Ich fragte mich, wonach er wohl in einem erdbeerroten Anzug
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