Bis dass der Tod uns scheidet
duften würde.
»Ich habe eine Verabredung mit Mr. Tyler«, antwortete ich schließlich.
»Kommen Sie bitte«, meinte Phil, drehte sich um und überquerte den üppigen Rasen.
Tylers Gebäude war das höchste im Umkreis, deshalb konnte niemand in der Nähe auch nur ahnen, was sich auf dem Dach befand. Wenn man mitten auf dem Rasen stand, hätte man leicht glauben können, in Westchester oder Beverly Hills zu sein. Das Ganze wirkte wie Dorothys Haus, das ein Wirbelsturm auf diesem Dach mitten in Manhattan/Oz abgesetzt hatte.
Phil war schnell, doch ich hielt mit ihm Schritt. Wir kamen an die Glastür der Veranda, dahinter befand sich ein makelloses Büro mit hellem Schreibtisch, dunkelgrünen Aktenschränken und einem Computer.
Neben dem Schreibtisch stand ein Mann etwa Mitte sechzig, der verschiedene Schattierungen von Weiß trug: hellgrauer Anzug, eierschalfarbenes Hemd, ein Opalring am kleinen Finger der linken Hand und kristalline Augen mit einem winzigen Schimmer von Blau.
Der Mann hob die ringlose rechte Hand und bedeutete mir einzutreten. Auf sein Zeichen hin öffnete Phil die Tür und winkte mich hinein.
Aus der Nähe konnte ich sehen, dass sich knapp über dem linken Wangenknochen des Mannes eine Narbe befand, weißer als seine Haut.
»Mr. McGill«, sagte der weiß in weiß gehaltene Mann zur Begrüßung. »Ich bin Arthur Pelham.«
»Interessante Narbe«, sagte ich.
»Bin in einer unerwarteten Stromschnelle aus dem Kanu gefallen«, erklärte er. »Das war noch auf dem College.«
»Ach?«, tat ich interessiert. »Und wo?«
»Cambridge«, antwortete er, und wie als Nachgedanke: »Massachusetts. Setzen Sie sich, Mr. McGill.«
Vor seinem Schreibtisch stand ein einfacher hölzerner Klappstuhl. Er hatte die gleiche Sitzgelegenheit. Irgendwie gefiel mir das. Ich schätze, das war eine kleine, halb unbewusste Lektion meines Vaters über Gleichheit und Einfachheit in einer modernen Welt, die so voller Täuschung und Hierarchie war.
Ich setzte mich, Pelham ebenfalls. Phil schloss die Tür hinter mir. Ich war weder im Haus noch draußen. Bei dieser Erkenntnis musste ich lächeln.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. McGill?«
»Nichts.«
»Warum sind Sie hier?«
»Um Mr. Tyler zu sprechen.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Privat.«
»Ich bin sein persönlicher Anwalt«, versicherte mir Pelham.
Darauf hatte ich keine Antwort.
»Mr. McGill.«
»Ja, Mr. Pelham?«
»Warum sind Sie hier?« Seine Stimme wurde ein klein wenig fester.
»Wir haben diese Runde Karussell bereits hinter uns«, meinte ich.
»Ich bin Cyrils Verbindungsmann zur Welt, Mr. McGill. Jeder, der mit ihm sprechen will, muss dies über mich tun.«
»Und hier bin ich.«
»Wenn Sie mir keinen überzeugenden Grund nennen können, warum Sie Mr. Tyler sprechen wollen, werde ich Ihr Begehren ablehnen müssen.«
Ich stand auf, griff in die Gesäßtasche und zog meine Jahrzehnte alte, fette rote Brieftasche hervor. Ich entnahm ihr eine Visitenkarte mit meinem richtigen Namen und der richtigen Telefonnummer darauf.
Ich legte die Karte auf die Kante des weißen Tischs und lächelte.
»Sagen Sie Mr. Tyler, falls er je mit mir sprechen möchte, kann er mich unter der Nummer auf der Karte erreichen.«
Ich drehte mich um und tat fast den ersten Schritt.
»Augenblick, Mr. McGill.«
»Ja?«
»Wir sind nicht die Art von Leuten, die Sie herumschubsen können.«
Ich drehte mich um und sah, dass auch Pelham sich erhoben hatte.
»Wir?«, fragte ich.
»Was wollen Sie?«
»Wenn ich mich wieder umdrehen muss, dann gehe ich«, erklärte ich. »Falls Sie mich aufhalten wollen, dürfen Sie das gern versuchen.«
Ich musste immer noch dringend mein Temperament zügeln.
Pelham versuchte zu lächeln, scheiterte daran und sagte dann: »Nehmen Sie die Tür hinter mir. Gehen Sie den Flur entlang bis zu einer cremefarbenen Tür.«
7
Der Flur war wie jeder andere in einem Ranchhaus in den Vororten – fast. Die Decke war zu niedrig, die Wände zu nah beieinander, wie in den meisten amerikanischen Häusern, aber der Flur war länger als üblich. Die Teppiche schienen aus einer Art blassem Fell zu bestehen, und die klaustrophobisch engen Wände war strahlend pink, mit einem limonengrünen Rahmen.
Auf diesem sengenden Hintergrund hing ab und an ein riesiges Stahlgemälde. Aus der Nähe konnte man sehen, wie subtil und brutal zugleich die Bilder waren. Sie bestanden hauptsächlich aus Erdfarben, große modernde Sümpfe, die ein kapriziöser, primitiver Gott
Weitere Kostenlose Bücher