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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Schuld. Völlig bescheuert.«
    »Hast du schon gewusst, dass Gorman bescheuert ist, als du den Job angenommen hast?«, fragte ich ihn.
    »Ja. Ja, hab ich.«
    »Was sagt das dann über dich aus?«
    Manchmal ist eine gute Frage aus dem richtigen Mund alles, was man braucht. Iran lehnte sich zurück und sah mich an. Ich konnte sehen, wie er, zum zweiten Mal seit langem, sich selbst die Schuld gab für den Schlamassel, in dem er steckte.
     
    Wir aßen gerade unseren Mince Pie mit Vanilleeis, als ich beschloss, dass es Zeit war zu handeln. Ich nahm die Papiertüte und stellte die Ledertasche auf den Tisch.
    »Was ist das?«, fragte Iran.
    »Bleib sitzen und trink einen Kaffee«, sagte ich. »Pass auf die Tasche auf, ich bin bald wieder da.«
    Ich stand auf, und Iran entgegnete: »Ich will aber Tee.«
    »Dann eben Tee.«
     
    Der People’s Garden hinter der St. Matthew’s Church lag nur drei Blocks entfernt. Das Grundstück nahm fast einen ganzen Block ein, und ein Großteil davon versteckte sich hinter einem hohen Holzzaun und dichter Vegetation rings um einen hübschen Gemeinschaftsgemüsegarten.
    Als ich noch ein Kind gewesen war und mich den Jugendbehörden entzogen hatte, war ich regelmäßig hier gewesen. Die Kirchentür hatte immer offen gestanden. Und das tat sie heute immer noch. Ich trat ein, hoffte, nicht bemerkt zu werden, und ging schnell durch das Kirchenschiff und durch eine Tür hinter der Kanzel hinaus.
    Im Garten war es dunkel, also nahm ich die Brille und die Infrarottaschenlampe aus der Papiertüte, die Iran aus dem Büro mitgebracht hatte. Taschenlampe und Brille waren ein Geschenk des dankbaren Bug Bateman. Schon die Aussicht auf Liebe erfüllt selbst das zornigste Herz mit Dankbarkeit.
    Es gab nur zwei Möglichkeiten, warum nicht die gesamte Kirche mit gelbem Polizeiabsperrband umgeben war, entweder gab es keine Leiche, oder die Leiche meiner falschen Klientin war gut versteckt. Ich näherte mich dem zweieinhalb Meter hohen Komposthaufen in der hinteren Ecke des Grundstücks und hoffte auf Ersteres.
    Ich zog Stoffhandschuhe an, nahm einen Spaten aus einer Schubkarre und stocherte im Komposthaufen herum – ich suchte nach Spuren. Ich arbeitete mich bis zur Spitze empor, als ich eine weichere Stelle fand.
    Dort grub ich, bis ich auf Widerstand stieß. Dann nahm ich eine Taschenlampe und leuchtete damit den satinhaften pinkfarbenen Stoff an. Unter dem provisorischen Leichentuch lag Shawna Chambers’ dunkles, hübsches Lügengesicht. Wenn sie mir die Wahrheit gesagt hätte, hätte ich sie vielleicht retten können. Vielleicht.
    Ihr Haar war gekämmt, das Gesicht entspannt. Ich konnte nicht erkennen, wie sie ums Leben gekommen war, nur dass sie tot war und ihre Bestatter alles getan hatten, um ihre Leiche so gut aussehen zu lassen, wie das bei einer Leiche nur möglich ist.
    Irgendwie widersprüchlich, aber der Tod löst Ängste aus. Schnell zog ich den pinkfarbenen Stoff wieder über das Gesicht und verbarg sie unter Blättern und Erde. Ich kletterte den riesigen Haufen hinab und eilte auf die Straße hinaus.
    Zwei Blocks entfernt rief ich den Notruf an.
    »Notrufzentrale.«
    »Im Komposthaufen hinter der St. Matthew’s Church im East Village ist eine Leiche verscharrt worden«, sagte ich mit heiserer Stimme.
    »Wie heißen …«, bekam der Telefonist gerade noch heraus, bevor ich auflegte.
     
    Im Diner fand ich Iran vor, der die New York Post las.
    »Liest du jeden Tag Zeitung?«, fragte ich ihn.
    »Nein, nein.«
    »Wenn du in meinem Büro arbeitest, wirst du Zeitung lesen, mindestens eine, jeden Tag.«
    »Okay«, sagte er, und schon hatten wir eine zeitweilige Übereinkunft getroffen.
    Ich ließ mich in die Nische plumpsen und seufzte anscheinend.
    »Was läuft denn falsch?«, fragte Iran.
    »Frag mich lieber, was richtig läuft.«
    »Okay. Was läuft richtig?«
    »Nichts. Nicht eine verdammte Sache.«

27
    »Wohin jetzt?«, fragte Iran, als wir auf der Straße waren.
    Ich hielt einen Finger hoch, nahm mein Handy, tippte die Nummer ein und drückte auf die Wahltaste.
    »Hallo?«
    »MD, ich bin’s, LT.«
    Stille.
    »Ich habe jemanden für dich«, sagte ich. »Ist es zu spät?«
    »Erst in der letzten Stunde des letzten Tages«, antwortete sie.
    »Dreißig Minuten. Vielleicht weniger.«
    »Ich bin hier.«
    Als sie auflegte, klappte ich mein Handy zu und hob die Hand.
    »Taxi!«
     
    Der gelbe Wagen bewegte sich wie ein Fisch auf die Dreißiger-Straßennummern zu. Unser Fahrer hatte einen

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