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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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zufriedenzugeben.«
    Ich nahm an, dass sie etwas Wichtiges ausließ, doch dabei schien es eher um sie als um den abwesenden, womöglich toten Mr. Williams zu gehen.
    »Ich würde gern vorbeikommen und mir anschauen, wo er gewohnt hat«, sagte ich. »Ich bezweifle, dass ich ihn finden werde, aber ich möchte gern mein Bestes versuchen.«
    »Das wäre wunderbar«, meinte Fawn David. »Sie können jederzeit vorbeischauen. Ich bin immer zu Hause. Wenn man selbständig ist, scheint der Arbeitstag nie zu Ende zu gehen.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen. Ich habe im Augenblick noch ein paar Fälle zu bearbeiten. Ich weiß nicht, wann genau ich vorbeikommen kann, aber ich rufe Sie morgen oder übermorgen an und frage, wann es Ihnen am besten passt.«
    »Jederzeit, Mr. McGill, jederzeit.«
    Ich war ein wenig überrascht über das herzliche Willkommen der jungen Frau. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, das hätte vielleicht etwas mit ihrem Wohnort Hoboken zu tun – vielleicht waren die Menschen dort freundlicher.
     
    »He, LT«, sagte Bug, der ebenfalls nach dem ersten Klingeln abhob.
    »Du klingst müde.«
    »Ich bin immer müde. Iran nimmt mich so hart ran, ich geh bald vor die Hunde. Und er stellt mich jeden Morgen auf die Waage. Wenn ich auch nur ein Pfündchen mehr wiege, verdoppelt er die Trainingseinheiten. Ich darf noch nicht mal was essen. Ich hab die ganze Zeit Hunger, Mann.«
    »Du hast es so gewollt, oder?«
    »Fuck you.«
    »He«, sagte ich und grinste ins Leere. »Siehst du? Es funktioniert. Iran hat dein Testosteron bereits so weit hochgetrieben, dass du ein Mittelschwergewicht wie mich beschimpfen willst.«
    »Ich hab das Geld überwiesen«, wechselte er das Thema. »Es liegt auf einem Sonderkonto, dass Twill erst heute eröffnet hat.«
    »Twill?«
    »Ja, aber er weiß nichts davon.«
    »Oh, Okay. Toll. Vielen Dank, Tiny. Du bist ein Genie.«
     
    Ich hatte stets ein paar Wegwerfhandys dabei, mit denen mich Bug versorgte. Dieses hatte ein Schildpattgehäuse und eine Vorwahl aus Utah. Darauf schrieb ich folgende SMS an meinen Sohn: Ich hab dein Geld, Junge. Wenn du etwas davon wiederhaben willst, triff mich im Harvell Club, 9 th Avenue, Ecke 14 th Street, Freitag, 15:45. Beat Murdoch.
    Ich lächelte leise und dachte an die Seelenpein, die ich meinem straffälligen und nahezu perfekten Sohn bereitete. Ich war Killern und Dieben begegnet, Drogenhändlern und Zuhältern, Milliardären und Erpressern, Fanatikern aller Art, aber Twill war einzigartig. Er war ein heller Fleck auf dem Antlitz der Sonne, ein Schatten in der Tiefe des Alls.
    Mein echtes Handy gab das Geräusch eines Eistauchers bei Sonnenuntergang von sich.
    »He, Luke«, sagte ich.
    »Du kommst besser rüber, LT. Dein Bursche steckt in Schwierigkeiten.«
    »Bin sofort da, Bruder.«

43
    Das viergeschossige viktorianische Haus war weiß gestrichen, hatte eine blaugrüne Zierleiste und ein mit dunkelrot gesandeter Dachpappe gedecktes Schrägdach. Die Fenster blitzten, alle Jalousien und Gardinen waren zur selben Zeit gekauft worden, deshalb war der Anblick geradezu postkartenhaft. Auf dem betonierten Gehweg zum Hauseingang zog ein kleiner Junge eine blaue Karre, auf der ein noch kleineres Mädchen saß, zwei junge braune Frauen beobachteten sie von der Vortreppe aus und schwatzten.
    Der Junge machte die Geräusche einer großen Maschine.
    Das Mädchen kicherte und kreischte abwechselnd.
    Die Frauen unterhielten sich auf Spanisch.
    Sie waren alle glücklich und daheim.
    Vor nicht mal einem Jahr war der im neunzehnten Jahrhundert errichtete, in ein Mietshaus umgebaute Familiensitz noch ein Slum für sich gewesen. Die Farbe war abgeblättert gewesen, die meisten Scheiben eingeschlagen. Crackheads und andere Junkies krochen in die leeren Zimmer, um ihre Highs zu pflegen oder ihre Freier zu befriedigen. Einmal die Woche tauchte der tödlich gut aussehende, nachtschwarze Johnny Nightly aus dem illegalen Poolsalon im Keller auf und verscheuchte das Gesindel.
    Eines Abends hatte ich Johnnys Boss Luke Nye einen Besuch abgestattet. Aus irgendeinem Grund, es war wohl der Bourbon, erzählte ich Luke von meinem immer wiederkehrenden Traum, der Flucht aus einem brennenden Wolkenkratzer, in dem ich eine Scheibe einschlug und aus dem obersten Stock sprang.
    »Wie fühlt sich das an?«, wollte der Mann wissen, der einer Muräne ähnlich sah.
    »Man sollte glauben, still und friedlich«, antwortete ich und schauderte, »wie ein Baseball, der aus dem Stadion fliegt. Aber

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