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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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seine Chancen?«
    »Hab schon Schlimmeres gesehen. Viel Schlimmeres. Aber Sie wissen ja, Leonid, manche sterben an einem Schnupfen, andere überleben Hiroshima.«
    Ich lächelte, sie auch – für einen ganz kurzen Augenblick.
    »Ich hab gehört, Gordo ist bei Ihnen zu Hause«, wollte sie wissen.
    »Ja.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Magenkrebs. Der Arzt sieht keine große Hoffnung mehr.«
    »Und was ist mit ihm?«
    »Wie er seine Chancen sieht?«
    Sie nickte.
    »Sie kennen doch den alten Gordo, er glaubt an Kampf bis zur letzten Runde.«
    Sie lächelte und sagte: »Wenn sie ihm die Bombe nicht direkt auf den Kopf schmeißen, überlebt er auch die noch.«
     
    Als ich die Treppe hinunterging, musste ich an die einjährige Beziehung zwischen Gordo Tallman und Juanita Horn denken. Sie war eines Tages ins Boxstudio gerufen worden, weil ein dominikanischer Boxer mit zweifelhaften Papieren beim Sparring ungünstig gefallen war. Er hatte sich geweigert, ins Krankenhaus zu gehen, also holte man Juanita, um den gebrochenen Knöchel zu richten.
    In den folgenden zwölf Monaten waren Gordo und Juanita nahezu unzertrennlich. Dann schmiss Gordo sie raus. Ich bearbeitete an dem Tag gerade den schweren Sandsack, als sie weinend aus seinem Büro kam. Gerüchten zufolge hatte Juanita ein Wochenende mit einem alten Freund von Bell verbracht, Gordo hatte es spitzgekriegt und sie rausgeschmissen. Genaues wusste ich nicht. Ich wollte es auch nicht wissen.
     
    Angelique Arabesques weißer Cadillac stand vor Lukes Laden. Wenn Luke, was selten vorkam, die Poolhalle verließ, fuhr sie ihn.
    Angelique, eine Schwarze mit kurzen, weiß gebleichten Haaren und naturgegeben grauen Augen, hatte ihren eigenen Limousinenservice und fuhr fast alle wichtigen Leute in der Bronx. Sie lehnte in ihrem weißen Hosenanzug an der Hintertür und beobachtete mich. Angelique hat ein hübsches Gesicht und einen schlanken Körper, eine hässliche Narbe auf der rechten Wange und ziemliche Pranken. Wenn man sie so sah, hatte man den Eindruck, dass sie ganz gut auf sich selbst aufpassen konnte. Ich hatte gehört, sie habe einen Buchhalter geheiratet, führte ihre Bücher aber noch immer selbst.
    »Mr. McGill«, sagte sie, als ich näher kam.
    »Ms. Arabesque.«
    »Mr. Nye hat mich gebeten, Sie zu fahren, wohin Sie auch wollen.«
    Ich hatte, um herzukommen, die U-Bahn genommen. Wahrscheinlich hätte ich sie auch zurück benutzt. Angelique, das war eine Geste von Luke. Er wollte sagen, dass er mein Freund war und an meiner Situation erkennen konnte, dass ich Hilfe brauchte.
     
    Die Fahrt zurück nach Manhattan dauerte nicht lange. Angelique kannte jede Abkürzung. Ich schloss die Augen, während sie fuhr, zählte die Atemzüge von eins bis zehn und zurück und erlangte so einen Splitter der Glückseligkeit, bis wir vor dem Tesla Building hielten.
    Ich war am Empfangstresen vorbeigerauscht und schon auf halbem Wege in den siebenundzwanzigsten Stock, als ich einen Blick auf mein Handy warf. Eine SMS von Mardi. KiB stand dort. Klient im Büro.
    Der Friede der Meditation war mit einem Wimpernschlag dahin. Mein Herz schlug heftig, und mein Gewissen trat mir in den Hintern.
    Jahrelang hatte ich eine Vorzimmerdame haben wollen. Ich hatte den Eindruck, wenn eine unschuldige junge Frau am Empfang saß und meine Klienten begrüßte, dann wäre ich nicht länger ein Krimineller, sondern ein aufrechter Bürger, der der Öffentlichkeit einen Dienst erwies. Diese Fantasie wurde durch drei kleine Buchstaben zunichte gemacht – KiB .
    Ich donnerte mehrmals mit der Faust gegen die Fahrstuhltüren. Als sie sich schließlich öffneten, rannte ich mit den Schlüsseln in der Hand den Flur entlang.
    Ich platzte ins Zimmer wie ein Bison in eine Gartenparty, doch Mardi saß hinter ihrem Schreibtisch und tippte auf ihrer Tastatur herum. Der Klient saß auf der Holzbank, die für Klienten bestimmt war, und seine Hände umklammerten das Knie eines übergeschlagenen Beins.
    Ich keuchte fast, hatte wild aufgerissene Augen.
    »Hi, Mr. McGill«, sagte Mardi. »Mr. Peters hat geduldig gewartet.«
    Die letzten Worte sollten mir signalisieren, dass alles in Ordnung war und ich mir keine Sorgen um ihre Sicherheit machen musste. Sie konnte mich lesen wie ein Buch – ein sehr langes Werk mit tausendundeiner Tragödie, geschrieben mit dem Blut ebenso vieler Opfer.
    Mardi trug ein recht einfaches Kleid in der Farbe von Goldrute. Es hätte handgenäht sein können – Mardi war diese Art von Frau.
    Meine

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